Rz. 38

[Autor/Stand] Die OFD Koblenz hat auf der Grundlage der BFH Entscheidung v. 11.1.2006 eine Verfügung erlassen, die die Abgrenzung des Sachwertverfahrens vom Ertragswertverfahren bei den Einfamilienhäusern zusammenfasst und der Praxis eine Hilfestellung liefert, die aktuell gültige Rechtsprechung umzusetzen. Da sie erhebliche Auswirkungen für die Praxis haben kann, ist sie nachfolgend im Wortlaut abgedruckt:[2]

 

Rz. 39

[Autor/Stand] „Soweit erkennbar hat der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 11. Januar 2006, II R 12/04 (NV, zur Veröffentlichung bestimmt) erstmals anschaulich beschrieben, wie die Frage der wesentlichen Unterscheidung im Sinne des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG als Tatbestandsmerkmal für die Anwendung des Sachwertverfahrens bei Ein-/Zweifamilienhäusern zu subsumieren ist. Ich nehme dieses Urteil zum Anlass, die Abgrenzung des Sachwertverfahrens bei den Einfamilienhäusern unter Beachtung dieser Grundsätze zusammenzufassen und eine praxisgerechte Anwendung der o.a. Rechtsprechung zu fördern.

Ein- und Zweifamilienhäuser sind grundsätzlich im Ertragswertverfahren zu bewerten. Das Sachwertverfahren kommt zur Anwendung, wenn sich das konkrete Bewertungsobjekt durch besondere Gestaltung oder eine besondere Ausstattung – auch durch Zusammenwirkung beider Merkmale – wesentlich von den üblichen im Ertragswertverfahren zu bewertenden Ein- oder Zweifamilienhäusern unterscheidet. Die wesentliche Unterscheidung ist auf der Basis des Standards der Wohnqualität und der Wohnverhältnisse des Hauptfeststellungszeitpunkts zu untersuchen, weil diese zu den für die Durchführung der Einheitsbewertung weiterhin maßgebenden Wertverhältnissen gehören (BFH-Urteil vom 11. Januar 2006 a.a.O.).

Als feststehende Merkmale, die als besondere Gestaltung eine wesentliche Abweichung begründen und damit die Anwendung des Sachwertverfahrens erforderlich machen, gelten:

  • Wohnflächen von mehr als 220 m (je Wohnung). Regelungen dazu sind der Bewertungskartei § 76 BewG, Gestaltung, Karte 3 zu entnehmen
  • Grundstücksgrößen von mehr als 2 500 m (vgl. BFH-Urteil vom 23.7.1971, Az.: III R 86/69, BStBl. II 1971, 797)
  • Schwimmbecken im Haus mit einer Wasserfläche von mindestens 40 m (Bew-Kartei a.a.O.)
  • Schwimmhalle auf dem Grundstück (Bew-Kartei a.a.O., BFH-Urteil vom 5.3.86 (BStBl. II S. 386)

In anderen Fällen ist in mehreren Subsumtionsschritten (vgl. BFH-Urteil vom 11. Januar 2006 a.a.O.) darüber zu entscheiden, ob die vom Gesetz geforderte wesentliche Unterscheidung vorliegt.

Im ersten Schritt sind die vorhandenen Unterschiede in Ausstattung und Gestaltung des Bewertungsobjekts gegenüber dem Ertragswertobjekt in seiner zum Hauptfeststellungszeitpunkt typischerweise vorliegenden Form aufzuzeigen und dabei zu werten, ob qualitativ ein Unterscheidungsmerkmal vorliegt.

Im zweiten Schritt ist darüber zu befinden, inwieweit die so bestimmten Unterscheidungsmerkmale in Ausstattung und/oder Gestaltung zu einer wesentlichen Unterscheidung beim Bewertungsobjekt führen.

Das Ertragswertverfahren stellt das Regelverfahren dar, nach dem die Masse der Einfamilienhäuser zu bewerten ist. Der Gesetzgeber ging dabei von der Überlegung aus, dass es sich bei diesen Häusern meist um kleine, einfach ausgestattete Wohngebäude oder serienmäßig hergestellte Siedlungshäuser handelt, für die regelmäßig Vergleichsmieten vorhanden sind (BFH-Urteil vom 27. April 1978, Az.: III R 6/77, BStBl. II 1978, 523) Die Unterschiede in Ausstattung und Gestaltung des Bewertungsobjekts sind gegenüber diesem Gebäudetyp herauszuarbeiten.

Als Massenverfahren unterliegt die Einheitsbewertung bei der Bestimmung des gemeinen Werts vielfach Typisierungen, die nach der Rechtsprechung durchaus legitim sind. Insoweit muss auch hier ein Weg gefunden werden, die geforderten Subsumtionsschritte in ein wirtschaftliches Verwaltungshandeln zu kleiden. Gleichwohl handelt es sich sowohl bei dem Begriff "besondere Gestaltung" als auch bei dem Begriff "besondere Ausstattung" um unbestimmte Rechtsbegriffe, weswegen jede abweichende Sachverhaltsgestaltung einer konkreten Entscheidung bedarf. Dieser große Entscheidungsspielraum ist die Folge der vom Gesetzgeber bewusst gewählten Begriffe, die im Feststellungsverfahren anhand der jeweiligen Sachverhaltsmerkmale ausgefüllt werden müssen (vgl.: BFH-Beschluss vom 19. Juli 1995, Az.: II B 9/95, NV). Nach Möglichkeit sind Entscheidungen auf der Basis der schriftlich oder mündlich eingehenden Informationen zu treffen. In Zweifelsfällen werden sich allerdings Ortsbesichtigungen nicht vermeiden lassen. Dabei können insbesondere die von außen erkennbaren Merkmale (z.B.: Grundriss des Gebäudes, Fassaden-/Dachgestaltung, Außenanlagen) ohne großen Aufwand erhoben werden. Fotos sind dabei ein effizientes Hilfsmittel. Ggf. kann der Ermittlungsbeamte des Finanzamts eingesetzt werden.

Die Ausstattungs- und Gestaltungsmerkmale der o.a. genannten einfach ausgestatteten Wohngebäude (Standard 1964) sowie diesen gegenübergestellt die tatsächlich vorhandenen des Bewertungsobjekts...

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