Rz. 201

[Autor/Stand] Die einzigen erbschaft-/schenkungsteuerliche Befreiungvorschriften außerhalb des ErbStG findet man in § 3 Abs. 4 Satz 3 und § 11 Abs. 4 des EVZStiftG, dem Gesetz zur Errichtung der am 12.8.2000 entstandenen Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" (§ 1 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 20 EVZStiftG).[2] Steuerbefreit sind danach

  • Zuwendungen nicht zum Kreis der Stifter zählender Dritter an die Stiftung, d.h. sog. Zustiftungen,[3]
  • und Leistungen der Stiftung an die Leistungsberechtigten i.S. des § 11 Abs. 1 EVZStiftG,[4] die Destinatäre.

Umkehrschließend müssen diese Zustiftungen und Stiftungsleistungen daher steuerbare Schenkungen i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sein.

 

Rz. 202

[Autor/Stand] Stifter waren der Bund und die "in der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zusammengeschlossenen Unternehmen", die die Stiftung je hälftig mit insg. 10 Mrd. DM ausstatteten (§ 3 Abs. 1, 2 EVZStiftG). Diese Erstausstattung gilt nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 ErbStG als steuerbare Schenkung. Da das EVZStiftG für sie keine Steuerbefreiung anordnet, müssen die hierzu erbrachten Leistungen als spezielle Zweckgeschenke, schenkungsteuerpflichtig gewesen sein, wenn und soweit im Einzelfall neben § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG a.F. (Freibetrag für Fremdschenkungen = 10 000 DM/5 200 EUR) keine andere Steuerbefreiungsvorschrift des ErbStG (evtl. § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b, Nr. 17 ErbStG a.F.) einschlägig war.[6]

 

Rz. 203

[Autor/Stand] Offizielle Verwaltungsanweisungen zur schenkungsteuerlichen Behandlung dieser Bereicherungsvorgänge wurden bislang nicht bekannt. Es bleibt daher im Dunkeln, ob das allein zuständige Finanzamt Berlin-Schöneberg (s. § 35 Abs. 1, 2 Nr. 1 ErbStG)[8] durch ordnungsgemäße Anzeigen nach § 30 Abs. 2 ErbStG informiert wurde und, jedenfalls im Hinblick auf eine Steuerpflicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG, Besteuerungsverfahren nicht nur aufgenommen, sondern auch mit Steuerfestsetzungen zum Abschluss brachte. Letzteres scheint nicht der Fall zu sein; auf der Suche nach FG-Entscheidungen wird man nicht fündig. Beachten Sie: Sind die entstandenen Schenkungsteueransprüche noch nicht verjährt (s. § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO), müssen die zu den Erstausstattern gehörenden privaten Unternehmen noch mit Steuerforderungen rechnen;[9] hierzu gehören auch die Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist.[10] Die Finanzverwaltung Berlin darf sich ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht zur Besteuerung (Art. 20 Abs. 3 GG, § 85 AO)[11] nicht klammheimlich entziehen.

 

Rz. 204

[Autor/Stand] Die Finanzverwaltung äußerte sich lediglich zur ertragsteuerlichen Beurteilung der Zahlungen der Mitglieder der Stiftungsinitiative unter Einbeziehung von Unternehmen, die der öffentlichen Hand zuzurechnen sind, sowie von Sparkassen und Landesbanken als Anstalten des öffentlichen Rechts. Diese Zahlungen sollen sofort abziehbare Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 4 EStG sein, weil die Unternehmen

  • damit „einen Beitrag im öffentlichen Interesse zur Abwendung von Schaden für die deutsche Wirtschaft (leisten),
  • nicht zuletzt das Ziel (verfolgen), eine Grundlage zu schaffen, um den Sammelklagen in den USA begegnen zu können,
  • den damit verbundenen drohenden Imageverlust auf dem dortigen Markt und weltweit abzuwenden
  • und wirtschaftliche Sanktionen in Form von Lizenzentzug und Boykottaufrufen zu vermeiden.

Die Beiträge dienen insoweit der Sicherung und Aufrechterhaltung des unternehmerischen Ansehens des Standorts Deutschland.” – Dass "(damit) der nach § 4 Abs. 4 EStG notwendige betriebliche Sachzusammenhang zwischen Aufwendungen und Betrieb... gegeben (ist),"[13] mag man bezweifeln. Allen Beteiligten war aber von Anfang an klar, dass sie "in erster Linie freiwillig... ohne rechtliche Verpflichtung" zahlen werden, auch wenn sie ihre eigene internationale Wettbewerbssituation sichern wollten (s. auch § 7 ErbStG Anm. 403).[14] Ihre später an die Stiftung EVZ erbrachten Zahlungen sind deshalb konsequent als nichtabziehbare Geschenke i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG zu qualifizieren.[15] Erst recht muss dies für die aufgrund § 3 Abs. 4 Satz 3 EVZStiftG schenkungsteuerbaren Zahlungen solcher Unternehmen gelten, die nicht der Stiftungsinitiative angehören und in Zeiten des Dritten Reiches keine Zwangsarbeiter beschäftigten.[16]

 

Rz. 205

[Autor/Stand] Ertragsteuerlich sind heute – bald 20 Jahre, nachdem namhaften deutschen Unternehmen in den USA der Prozess wegen ihrer Beschäftigung von Zwangsarbeitern in Kriegszeiten gemacht wurde und, wie beabsichtigt,[18] infolge der Stiftungsgründung weitere Klagen mithilfe der US-Regierung abgewendet werden konnten[19] – keine Steuernachforderungen mehr zu befürchten (§ 47 i.V.m. §§ 169, 170 Abs. 1, 2 Nr. 1 AO). Auch dürften Betriebsprüfungen der Veranlagungsjahre 2000 ff., in denen einschlägige Zahlungen geleistet wurden, nicht mehr offen sein (§ 171 Abs. 4 AO). Der primäre Zweck der Stiftung EVZ: "Finanzmittel zur Gewährung von Leistungen an ehemalige Zwangsarbeiter und von anderem Unrecht aus der Zeit des Nation...

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