I. Ermittlung der Abzugsteuer nach Abs. 1 Satz 2

 

Rz. 121

[Autor/Stand] Die Abzugsteuer wird nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und den Tarifvorschriften im Zeitpunkt des letzten Erwerbs ermittelt (§ 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG).

 

Rz. 122

[Autor/Stand] Sind in der Zeit zwischen dem Vorerwerb und dem Letzterwerb die persönlichen Freibeträge erhöht worden, ist bei der Berechnung der fiktiven Abzugsteuer der damalige niedrigere Freibetrag nur in der Höhe abzuziehen, in der ihn der Stpfl. innerhalb von zehn Jahren vor dem letzten Erwerb tatsächlich für Erwerbe von derselben Person verbraucht hat. Mit Urteil v. 31.5.2006[3] hat der BFH sein Urteil v. 2.3.2005[4], das zu einer Kette von Vorerwerben über den Zehnjahreszeitraum hinaus ergangen war, auch für diese Fälle erweitert.[5]

 

Rz. 123

[Autor/Stand] Aufgrund der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe sind die in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG einzubeziehenden Vorerwerbe dem letzten Erwerb nicht mit materiell-rechtlich unzutreffenden Werten hinzuzurechnen, selbst wenn sie den vorangegangenen Steuerfestsetzungen für diese Erwerbe zu Grunde gelegt worden waren, sondern mit den ihnen (damals) zukommenden materiell-rechtlich zutreffenden Werten. Dieser richtige Wertansatz ist auch für die Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbaren fiktiven Steuer maßgebend (sog. Meistbegünstigungsklausel). Die für die Vorerwerbe ergangenen Steuerbescheide entfalten keine Bindungswirkung etwa i.S.v. Grundlagenbescheiden,[7] weil die Bindung durch das Gesetz ausdrücklich angeordnet sein muss. Daran fehlt es in § 14 ErbStG.Bei einer nach dem Inkraftreten höherer Freibeträge ausgeführten Schenkung, die die nunmehr erhöhten Freibeträge nicht übersteigt, entsteht auch dann keine Schenkungsteuer, wenn die früheren Erwerbe aus einer Zeit stammten, die nach altem Recht zu einer Steuer führten.[8]

 

Rz. 124

[Autor/Stand] Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen kommt nicht in Betracht, wenn z.B. nicht die tatsächlich festgesetzte, sondern die aufgrund einer Änderung der Rechtsprechung niedrigere festzusetzende Steuer aus einem Vorerwerb angerechnet wurde.[10]

[Autor/Stand] Autor: Högl, Stand: 01.09.2021
[Autor/Stand] Autor: Högl, Stand: 01.09.2021
[5] Siehe auch Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 14 ErbStG Rz. 20.
[Autor/Stand] Autor: Högl, Stand: 01.09.2021
[Autor/Stand] Autor: Högl, Stand: 01.09.2021
[10] FG Münster v. 12.10.2017 – 3 K 1625/15 – Rev. II R 42/17, ErbStB 2018, 39. Falls ein Erlass nach § 227 AO der Steuer für den früheren Erwerb ganz oder teilweise erfolgt s. Geck in Kapp/Ebeling, § 14 ErbStG Rz. 47.

II. Ermittlung der Abzugsteuer nach Abs. 1 Satz 3

 

Rz. 125

[Autor/Stand] Soweit die tatsächlich für die Vorerwerbe entrichtete Steuer höher ist als die fiktive Abzugsteuer, kommt diese zum Abzug (sog. Meistbegünstigungsklausel nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG). Für ihre Berechnung gilt das Gleiche wie für die fiktive Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG.

 

Rz. 126

[Autor/Stand] Zwar deutet der Wortlaut "tatsächlich ... zu entrichtende Steuer" auf den ersten Blick darauf hin, dass es auf die durch die Steuerbescheide für die Vorerwerbe begründeten, bereits erfüllten oder noch offenen Zahlungsverpflichtungen ankomme. Diese Auslegung ist aber mit der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbsvorgänge nicht vereinbar. § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG verfolgt nicht das Ziel, eine Korrekturmöglichkeit für Fehler zu eröffnen, die bei der Steuerfestsetzung für die Vorerwerbe zugunsten oder zulasten des Steuerpflichtigen unterlaufen sind. Der Gesetzgeber wollte durch § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG lediglich unbillige Folgen für Steuerpflichtige vermeiden, die sich durch für sie günstige Rechtsänderungen wie höhere Freibeträge oder niedrigere Steuersätze bei einem Übergang zu neuem Recht ergeben können.[3] Derartige Änderungen können dazu führen, dass die nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG anzurechnende Steuer niedriger ausfällt, als die für den Vorerwerb "tatsächlich" zu entrichtende Steuer. Ist hingegen zwischen dem Vorerwerb und dem Letzterwerb keine zugunsten des Steuerpflichtigen wirkende Änderung der Rechtslage oder der persönlichen Verhältnisse eingetreten, muss die nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG berechnete abzuziehende Steuer der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abzuziehenden fiktiven Steuer entsprechen.

 

Rz. 127

[Autor/Stand] Das in § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG verwendete Wort "tatsächlich" ist demnach i.S. einer Abgrenzung gegenüber § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu verstehen, dass es bei der Steuerberechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG anders als bei Satz 2 der Vorschrift nicht "fiktiv" auf die persönlichen Verhältnisse des Erwerbers und die geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs ankommt, sondern die Steuer anzurechnen ist, die bei zutreffender Beurteilung der Sach- und Rechtslage für den Vorerwerb zum Zeitpun...

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