Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansatz des persönlichen Freibetrags bei der Berücksichtigung früherer Erwerbe nach § 14 ErbStG

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Berücksichtigung früherer Erwerbe nach § 14 ErbStG ist die Erbschaft- oder Schenkungsteuer für den letzten Erwerb so zu berechnen, dass sich der dem Steuerpflichtigen zur Zeit dieses Erwerbs zustehende persönliche Freibetrag tatsächlich auswirkt, soweit er nicht innerhalb von zehn Jahren vor diesem Erwerb verbraucht worden ist.

 

Normenkette

ErbStG § 14 Abs. 1, § 16

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 29.07.2003; Aktenzeichen 9 K 6569/00; EFG 2003, 1716)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhielt von seinem inzwischen verstorbenen Vater, dessen Gesamtrechtsnachfolger als Erbe er ist, in den Jahren 1987, 1990 und 1995 freigebige Zuwendungen mit Steuerwerten von 560 332 DM, 3 046 217 DM und 843 729 DM (Vorschenkung I, II und III) sowie nach Ablauf von zehn Jahren seit der Vorschenkung I im Jahr 1997 eine weitere freigebige Zuwendung mit einem Steuerwert von 1 319 839 DM. Für diese Schenkung sagte der Vater zudem die Übernahme der Schenkungsteuer zu.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) setzte für die 1997 erfolgte Schenkung mit einem während des finanzgerichtlichen Verfahrens ergangenen Änderungsbescheid Schenkungsteuer in Höhe von 278 065 DM (142 172,38 €) fest, und zwar aufgrund folgender Berechnung:

Nettoerwerb

1 319 839 DM

+ zu übernehmende Schenkungsteuer

Erwerb

1 319 839 DM

+ Vorschenkungen II und III

3 889 946 DM

./. Freibetrag

400 000 DM

steuerpflichtiger Erwerb

(gerundet)

4 809 700 DM

x Steuersatz 19 %

913 843 DM

./. fiktive Steuer auf Vorerwerbe

680 181 DM

zu übernehmende Steuer

233 662 DM

233 662 DM

Bruttoerwerb

1 553 501 DM

+ Vorschenkungen II und III

3 889 946 DM

5 443 447 DM

./. Freibetrag

400 000 DM

steuerpflichtiger Erwerb (gerundet)

5 043 400 DM

x Steuersatz 19 %

958 246 DM

./. Anrechnungsbetrag Vorschenkungen

680 181 DM

festzusetzende Schenkungsteuer

278 065 DM

Den Anrechnungsbetrag für die Vorschenkungen (fiktive Steuer) berechnete das FA wie folgt:

Vorschenkungen II und III

3 889 946 DM

./. Freibetrag 1997

400 000 DM

+ wieder auflebender Freibetrag 1987

90 000 DM

steuerlicher Erwerb (gerundet)

3 579 900 DM

x Steuersatz 19 %

680 181 DM

Als tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Schenkungsteuer i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) ermittelte das FA unter Ansatz eines Freibetrags von 90 000 DM und eines Steuersatzes von 14 % einen Betrag von 610 428 DM.

Mit der Klage begehrte der Kläger, bei der Ermittlung des Anrechnungsbetrags für die Vorschenkungen nicht den 1997 geltenden Freibetrag von 400 000 DM, sondern den zum Zeitpunkt der Vorschenkungen geltenden Freibetrag von 90 000 DM abzuziehen, so dass sich eine anrechenbare Steuer von 739 081 DM und eine festzusetzende Schenkungsteuer von 207 974 DM ergäben.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1716 veröffentlichten Urteil mit der Begründung ab, die Berechnung der anrechenbaren Steuer durch das FA entspreche § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG in der 1997 geltenden Fassung. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) zur früheren Fassung des § 14 ErbStG eine andere Auffassung vertreten habe, könne dem nach der Neuregelung durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl I, 2049) nicht mehr gefolgt werden.

Mit der Revision bringt der Kläger vor, die Berechnung des FA führe im Ergebnis dazu, dass ihm die Erhöhung des Freibetrags auf 400 000 DM nicht zugute komme. Dies widerspreche der Systematik des ErbStG.

Mit dem während des Revisionsverfahrens ergangenen Bescheid vom 14. Februar 2005 erklärte das FA den angefochtenen Schenkungsteuerbescheid im Hinblick auf das Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 1 BvL 10/02 für vorläufig.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Änderung des Schenkungsteuerbescheids vom 14. Februar 2005 die Erbschaftsteuer auf 207 974 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Herabsetzung der Erbschaftsteuer auf 106 335,42 € (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

1. Das Urteil des FG verstößt gegen § 14 Abs. 1 i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Auf Grund der vom FG nicht beanstandeten Berechnung des FA wirkt sich der dem Kläger nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in der im Streitfall anwendbaren Fassung des JStG 1997 zustehende Freibetrag nicht in der gesetzlichen Höhe von 400 000 DM, sondern nur in Höhe von 90 000 DM steuermindernd aus. Das ist mit den genannten Vorschriften des ErbStG nicht vereinbar.

a) Nach § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG i.d.F. des JStG 1997 werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Von der Steuer für den Gesamtbetrag wird die Steuer abgezogen, die für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Anstelle der Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist die tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese höher ist (§ 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG).

Die Zusammenrechnungsregelung in § 14 ErbStG soll gewährleisten, dass die Freibeträge innerhalb des zehnjährigen Zusammenrechnungszeitraums nur einmal zur Anwendung gelangen und sich für mehrere Erwerbe gegenüber einer einheitlichen Zuwendung in gleicher Höhe kein Progressionsvorteil ergibt. Die Zusammenrechnung aller Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums soll somit verhindern, dass eine Zuwendung in mehrere aufeinander folgende Zuwendungen zerlegt wird, um eine niedrigere Erbschaftsteuerbelastung zu erreichen. Die Vorschrift ändert aber nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen. Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift trifft lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist.

An dieser seit jeher bestehenden Bedeutung des § 14 ErbStG (vgl. BFH-Urteile vom 28. November 1967 II 72/63, BFHE 91, 104, BStBl II 1968, 239; vom 30. März 1977 II R 98/76, BFHE 122, 330, BStBl II 1977, 664; vom 17. November 1977 II R 66/68, BFHE 124, 216, BStBl II 1978, 220; vom 17. April 1991 II R 121/88, BFHE 164, 107, BStBl II 1991, 522, und vom 7. Oktober 1998 II R 64/96, BFHE 187, 53, BStBl II 1999, 25) hat die Regelung in § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG nichts geändert. Der Gesetzgeber wollte dadurch lediglich unbillige Folgen für die Steuerpflichtigen vermeiden, die sich insbesondere durch für sie günstige Rechtsänderungen wie höhere Freibeträge oder niedrigere Steuersätze bei einem Übergang zu neuem Recht ergeben können (vgl. BTDrucks 13/4839, 69). Derartige Änderungen können dazu führen, dass die nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG anzurechnende Steuer niedriger ausfällt, als die für den Vorerwerb tatsächlich zu entrichtende Steuer. Der Steuerpflichtige soll jedoch für den Letzterwerb insoweit keine Steuer zahlen, als er für einen Vorerwerb bereits Steuer in (mindestens) dieser Höhe zu entrichten hatte (BFH-Urteil vom 17. Oktober 2001 II R 17/00, BFHE 196, 301, BStBl II 2002, 52).

§ 14 Abs. 1 ErbStG hat über diese Ziele hinaus nicht zusätzlich den Zweck, die steuermindernde Wirkung des dem Steuerpflichtigen zur Zeit des letzten Erwerbs nach § 16 ErbStG zustehenden Freibetrags auszuschließen, soweit der Freibetrag nicht für den Anfall von Vermögensvorteilen von derselben Person innerhalb von zehn Jahren vor diesem Erwerb verbraucht worden ist. Ein solcher Ausschluss widerspräche dem System des ErbStG und ließe sich auch im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) weder durch die früheren Erwerbe noch unter dem Gesichtspunkt der Pauschalierung und Verwaltungsvereinfachung rechtfertigen. Die in § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG nunmehr alternativ vorgesehene Anrechnung der tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtenden Steuer kann die Berücksichtigung des zur Zeit des letzten Erwerbs gesetzlich bestimmten persönlichen Freibetrags nicht ersetzen, wenn die Steuersätze vor dem letzten Erwerb erhöht wurden, wie es beim Übergang zum neuen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht in der Fassung des JStG 1997 vielfach der Fall war, und deshalb die abziehbare fiktive Steuer höher als die tatsächlich für die Vorerwerbe zu entrichtende Steuer ist.

Um den dem Steuerpflichtigen zustehenden Freibetrag tatsächlich wirksam werden zu lassen, ist bei der Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbaren fiktiven Steuer ein Freibetrag vom Wert der Vorschenkungen nur in der Höhe abzuziehen, in der ihn der Steuerpflichtige innerhalb von zehn Jahren vor dem letzten Erwerb tatsächlich für Erwerbe von derselben Person verbraucht hat. Die Hinzurechnung eines "wieder auflebenden Freibetrags" bei Schenkungsketten über zehn Jahre hinaus entfällt.

b) Dies hat das FG verkannt. Auf Grund der Berechnung der Steuer durch das FA wirkt sich nur ein Freibetrag von 90 000 DM und nicht der gesetzlich bestimmte Freibetrag von 400 000 DM (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) tatsächlich steuermindernd aus. Dies beruht darauf, dass das FA den Freibetrag von 400 000 DM sowohl bei der Ermittlung der Ausgangsgröße nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG als auch bei der Berechnung der fiktiven Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG von der Bemessungsgrundlage abgezogen hat. Dies führt zu einer Neutralisierung der angesetzten Freibeträge. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben.

2. Die Sache ist spruchreif. Die Schenkungsteuer ist auf 106 335,42 € herabzusetzen. Bei der Ermittlung des Anrechnungs-betrags für die früheren Erwerbe nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist vom Wert der Vorschenkungen II und III kein Freibetrag abzuziehen, da der Kläger innerhalb von zehn Jahren vor dem zu besteuernden Erwerb keinen Freibetrag nach § 16 ErbStG ver-braucht hat. Zugleich entfällt die Hinzurechnung des "wieder auflebenden Freibetrags 1987". Die Schenkungsteuer berechnet sich danach wie folgt:

Nettoerwerb

1 319 839 DM

+ zu übernehmende Schenkungsteuer

Erwerb

1 319 839 DM

+ Vorschenkungen II und III

3 889 946 DM

./. Freibetrag

400 000 DM

steuerpflichtiger Erwerb

(gerundet)

4 809 700 DM

x Steuersatz 19 %

913 843 DM

./. fiktive Steuer auf Vorerwerbe

739 081 DM

zu übernehmende Steuer

174 762 DM

174 762 DM

Bruttoerwerb

1 494 601 DM

+ Vorschenkungen II und III

3 889 946 DM

5 384 547 DM

./. Freibetrag

400 000 DM

steuerpflichtiger Erwerb (gerundet)

4 984 500 DM

x Steuersatz 19 %

947 055 DM

./. Anrechnungsbetrag Vorschenkungen

739 081 DM

festzusetzende Schenkungsteuer

207 974 DM

= 106 335,42 €

Der Anrechnungsbetrag für die Vorschenkungen (fiktive Steuer) errechnet sich dabei wie folgt:

Vorschenkungen II und III

3 889 946 DM

steuerlicher Erwerb (gerundet)

3 889 900 DM

x Steuersatz 19 %

739 081 DM

 

Fundstellen

Haufe-Index 1379255

BFH/NV 2005, 1453

BStBl II 2005, 728

BFHE 2005, 153

BFHE 209, 153

BB 2005, 1552

DB 2005, 1501

DStRE 2005, 834

HFR 2005, 865

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