aa) Richtwerte – übliche Grundstücksverhältnisse

 

Rz. 100

[Autor/Stand] Die Ermittlung des gemeinen Werts der einzelnen Grundstücke durch unmittelbaren Vergleich mit Verkaufspreisen von anderen Grundstücken wird nur selten möglich sein, weil wirkliche Vergleichsobjekte nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Deshalb wird man die durchschnittlichen Werte (die sog. Richtwerte) heranziehen müssen.

Die Richtwerte stellen nur Durchschnittswerte für ein bestimmtes Gebiet, eine Straße oder nur für einen bestimmten Straßenabschnitt dar, wobei nur die üblichen Grundstücksverhältnisse dieses Gebiets zugrunde gelegt wurden. Was als übliche Verhältnisse zu unterstellen ist, beurteilt sich nach den örtlichen Gegebenheiten. Als übliche Grundstücksverhältnisse einer bestimmten Gegend, Straße usw., die den Wert des Grund und Bodens beeinflussen, können u.a. in Betracht kommen: die allgemeine Verkehrslage, die bauliche Ausnützbarkeit, die Oberflächengestaltung, der Baugrund, Fehlen von Versorgungsleitungen, Ausbau der Straße. In den Durchschnittswerten haben jedoch die individuellen Eigenschaften des einzelnen Grundstücks, für das der Einheitswert festzustellen ist, keinen Ausdruck gefunden. Deshalb können bei der Einheitswertfeststellung die Durchschnittswerte (Richtwerte) nicht ohne weiteres übernommen werden. Die Bedeutung der Durchschnittswerte liegt vielmehr darin, aus ihnen die Bodenwerte für die einzelnen zu bewertenden Grundstücke abzuleiten. Hierzu bedarf es der Feststellung darüber, welche Grundstücksverhältnisse bei der Ermittlung der Durchschnittswerte zugrunde gelegt wurden und in welcher Hinsicht das zu bewertende Grundstück gegenüber den bei Bildung der Durchschnittswerte unterstellten Verhältnissen abweicht.

 

Rz. 101

[Autor/Stand] Der Umstand, dass Grundbesitz bereits erschlossen ist (vgl. §§ 123 ff. BauGB), bildet ein werterhöhendes Merkmal für alle angrenzenden Grundstücke, die an der Erschließung teilhaben. Deshalb ist die Erschließung kein individuelles Merkmal eines einzelnen Grundstücks. Sie wird deshalb bereits im durchschnittlichen Wert (Richtwert) berücksichtigt. Ohne Auswirkung hierauf ist, ob Erschließungskosten (Anliegerbeiträge) bereits bezahlt sind oder noch geschuldet werden (vgl. hierzu Abschn. 7 Abs. 3 BewRGr). Mit den Erschließungskosten hat sich auch der BFH befasst.[3] Er hat entschieden, dass der Ausbau einer Straße, also die Erschließung, eine Änderung im tatsächlichen Zustand der angrenzenden Grundstücke zur Folge hat, die unabhängig von der Entstehung und Zahlung der Anliegerbeiträge bei der Bewertung des Grundstücks zu berücksichtigen sei; denn die tatsächliche Wertsteigerung trete mit dem Ausbau der Straße ein. Soweit am Bewertungsstichtag Anliegerbeiträge als Schuld bestehen, könnten sie bei der Ermittlung des Gesamtvermögens abgesetzt werden.

bb) Besonderheiten und Abweichungen bei der Bewertung der Einzelgrundstücke

 

Rz. 102

[Autor/Stand] Als Besonderheiten und Abweichungen von den bei Bildung der Durchschnittswerte (Richtwerte) unterstellten Verhältnissen kommen vor allem in Betracht: der Anteil des Vorderlandes und des Hinterlandes, die besondere Lage des Grundstücks, z.B. die Ecklage, die Größe, der Zuschnitt, die Oberflächenbeschaffenheit und der Baugrund. Diese Besonderheiten müssen bei der Ableitung des gemeinen Werts von den Richtwerten berücksichtigt werden. Hierzu ist in den Abschn. 8 bis 10 der BewRGr Stellung genommen, die nachstehend wiedergegeben werden:

(1) Getrennte Wertermittlung für Vorder- und Hinterland

 

Rz. 103

[Autor/Stand] Abschn. 8 BewRGr führt hierzu Folgendes aus:

„(1) Bei der Ermittlung des Bodenwerts ist eine Grundstücksfläche nur dann in Vorderland und Hinterland aufzuteilen, wenn dies zuvor bei der Ermittlung des durchschnittlichen Werts geschehen ist. Bezieht sich der durchschnittliche Wert dagegen auf die Gesamtfläche, z.B. in der Regel hei Rohbauland, Industrieland, Verkehrsflächen und bei Grünflächen, unterbleibt die Aufteilung.

(2) Ist die Grundstücksfläche in Vorderland und Hinterland aufzuteilen, so ist sie nach ihrer Tiefe in Zonen zu gliedern, deren Abgrenzung sich nach den örtlichen Verhältnissen richtet. Gelten keine örtlichen Besonderheiten, so kann dabei im allgemeinen vom folgendem ausgegangen werden:

  • Die Fläche bis 40 m Tiefe ist Vorderland (Zone I),
  • die Fläche über 40 m bis 80 m Tiefe ist Hinterland (Zone II),
  • die Fläche über 80 m Tiefe, soweit sie baulich ausnutzbar ist, ist Hinterland (Zone III a),
  • die Fläche über 80 m Tiefe, soweit sie baulich nicht ausnutzbar ist, ist Hinterland (Zone III b).

    Die Wertansätze für das Hinterland betragen dann in der Regel in Zone II etwa die Hälfte des Werts des Vorderlands, Zone III a etwa ein Viertel des Werts des Vorderlandes, Zone III b weniger als ein Viertel des Werts des Vorderlandes.

(3) Ist die Grundstücksfläche so geschnitten, dass eine Aufteilung der Gesamtfläche in Vorderland und Hinterland nach den vorstehenden Grundsätzen nicht ohne Weiteres möglich ist, so sind die auf Vorderland und Hinterl...

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