Rz. 45

Eine Anwendung des § 29 UStG kann nur erfolgen, wenn dem Vertrag keine anderen Regelungen zugrunde liegen.[1]  Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien können sowohl ausdrücklich in individuellen vertraglichen Regelungen bestehen, sie können sich aber auch schlüssig aus dem Verhalten der beteiligten Vertragsparteien ergeben. Die Vorschrift des § 29 UStG stellt somit dispositives Recht dar.[2]

3.3.1 Ausdrückliche Regelungen über die Anwendung des § 29 UStG

 

Rz. 46

In einem Vertrag kann sowohl die Anwendung des § 29 UStG ausgeschlossen oder beschränkt, wie auch in zeitlichem Umfang erweitert werden. Es können auch Regelungen über den Umfang des Ausgleichs der Höhe nach getroffen werden. So kann ein Bauunternehmer z. B. bei der Abgabe eines verbindlichen Angebots mit einem Festpreis vereinbaren, dass § 29 UStG unabhängig von der Viermonatsfrist Anwendung finden soll, um so den Gefahren einer verzögerten Annahme durch den Auftraggeber zu entgehen (Rz. 20).

3.3.2 Leistungen zu vereinbarten Festpreisen

 

Rz. 47

Verträge, in denen der leistende Unternehmer eine Leistung zu einem Festpreis zu erbringen hat, sind in aller Regel als eine gesonderte Vereinbarung i. S. d. § 29 Abs. 1 S. 2 UStG anzusehen. Solche Festpreisklauseln können direkt im Vertrag oder in Geschäftsbedingungen vereinbart werden. Damit würde ein Ausgleich der umsatzsteuerlichen Mehr- oder Minderbelastung zwischen den Vertragsparteien nicht möglich sein. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf mögliche Umsatzsteueränderungen braucht in einer solchen Festpreisklausel nach einem Urteil des BGH zu § 29 UStG a. F. nicht vorhanden zu sein. Es ist ausreichend, wenn durch schlüssige Auslegung des Vertrags der Wille der Beteiligten erkennbar ist, dass die umsatzsteuerlichen Änderungen keine Änderung des Festpreises nach sich ziehen sollen.[1]  Da die Regelung des § 29 Abs. 1 S. 2 UStG i. d. F. des UStG 1967 unverändert in die Fassung des UStG 1980 übernommen worden ist, kann auch für aktuelle Fälle auf die damalige Rechtsprechung des BGH zurückgegriffen werden.

 

Rz. 48

Ist die Festpreisvereinbarung aber ausdrücklich auf einen Nettobetrag gerichtet, kann unabhängig von dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger die USt nach den gesetzlichen Bestimmungen berechnen, die zum Zeitpunkt der Erbringung des Umsatzes gelten. Dies gilt insbesondere bei gewerblichen Mietverträgen, in denen zu einem Mietfestpreis (netto) die Klausel "zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer" aufgenommen worden ist. Hier kann unabhängig von § 29 UStG die Zahlung der aktuellen USt verlangt werden.

[1] BGH v. 15.2.1973, VII ZR 65/71, UR 1973, 166.

3.3.3 Abrechnung nach Gebührenordnungen

 

Rz. 49

In bestimmten Fällen werden Abrechnungen auf der Basis gesetzlicher Gebühren- oder Honorarverordnungen erhoben. In diesen Fällen wird geregelt, dass zu der geschuldeten Gebühr die gesetzliche USt hinzukommt. Hier kommen insbesondere in Betracht:

 

Rz. 50

Ist eine gesetzliche Regelung gegeben oder bestimmt sich die Vergütung nach eine Gebühren- oder Honorarordnung, nach der die USt zusätzlich zu dem geschuldeten Entgelt erhoben wird, kommt die Anwendung des § 29 UStG nicht in Betracht. Eine Änderung im Umsatzsteuerrecht wird somit unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an den Leistungsempfänger weitergegeben. Die Höhe der zu berechnenden USt bestimmt sich dann nach den Verhältnissen, zu denen die Leistung als ausgeführt gilt.

3.3.4 Vereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen

 

Rz. 51

Die Anwendung des § 29 UStG kann durch Vereinbarungen zwischen den beiden Vertragsparteien ausgeschlossen oder erweitert werden (Rz. 46). Problematisch ist die Erweiterung des Anwendungszeitraums des § 29 UStG in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Fälle, in denen zwischen Vertragsabschluss und Leistungserbringung weniger als vier Monate liegen.

 

Rz. 52

§ 309 Nr. 1 BGB bestimmt, dass eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam ist, die die "Erhöhung des Entgelts für Waren oder Leistungen vorsieht, die innerhalb von vier Monaten nach Vertragsabschluss geliefert oder erbracht werden sollen; dies gilt nicht bei Waren oder Leistungen, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen geliefert oder erbracht werden". Wird in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel aufgenommen, die einen Ausgleichsanspruch des Leistungsempfängers auch in den Fällen begründen soll, in denen zwischen Vertragsabschluss und Leistungserbringung weniger als vier Monate liegen, ist diese Regelung zivilrechtlich unwirksam.[1]  In diesen Fällen liegen keine gesonderten Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien vor, sodass die Grundsätze des § 29 UStG Anwendung finden. Allerdings stellt § 309 Nr. 1 BGB

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