Rz. 68

Die Haftungsinanspruchnahme durch Haftungsbescheid steht im Ermessen des Finanzamts. Hier weicht die Haftung nach § 25d UStG von derjenigen nach §§ 13c UStG und 13d UStG ab, die der Finanzbehörde keinen Ermessensspielraum lassen. Das Ermessen bezieht sich auf die Frage, ob ein Haftungsbescheid ergehen soll und an wen von mehreren Haftungsschuldnern er zu richten ist.[1] Abschn. 25d.1 Abs. 8 UStAE ordnet den Erlass eines Haftungsbescheids in den Fällen der nachgewiesenen Kenntnis oder der Vermutung gem. § 25d Abs. 2 S. 1 UStG an – die Formulierung "soll erlassen werden" ist in der Verwaltungssprache durchaus als Befehl zu verstehen. Die in Rz. 8b behandelten Zweifel an der Anwendbarkeit des § 25d UStG, wenn der Vorsteuerabzug versagt wurde, sind von der Verwaltung bisher nicht aufgegriffen worden. Die Entstehung einer systemwidrigen mehrfachen Belastung sollte bei der Ausübung des Ermessens aber berücksichtigt werden in der Weise, dass § 25d UStG nicht angewandt wird.

 

Rz. 69

Für den Erlass des Haftungsbescheids gelten nach § 25d Abs. 5 UStG die allgemeinen Grundsätze. Als einzige Ausnahme nennt die Vorschrift den § 219 AO. Anzuwenden sind also auch auf diesen Haftungsbescheid grundsätzlich alle in § 191 AO niedergelegten oder zu dieser Vorschrift entwickelten Regeln, soweit sie auf die Haftung nach § 25d UStG passen. Das sind insbesondere die für Haftungsbescheide, deren Korrektur sowie deren Festsetzungsfrist geltenden Vorschriften. Über den Wortlaut des Abs. 5 hinaus, der an sich Selbstverständliches aussagt, dieses anscheinend zur Hervorhebung der Ausnahme zu § 219 AO tut, gelten auch die übrigen Regeln über das Haftungsverfahren wie z. B. zum Leistungsgebot[2] und zur Verwirklichung des Haftungsanspruchs. Die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners ist möglich, ohne dass die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Rechnungsausstellers erfolglos geblieben ist oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein wird.[3]

 

Rz. 70

§ 219 AO soll für die Haftungsinanspruchnahme in den Fällen des § 25d UStG nicht gelten (Abs. 5 S. 2). Diese Ausnahme soll ebenfalls der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs, insbesondere durch USt-Karussellgeschäfte, dienen.[4] § 219 AO schreibt, abgesehen von den dort genannten Ausnahmen, vor, dass ein Haftungsschuldner nur und insoweit in Anspruch genommen werden darf, als die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Vollstreckungsschuldners ohne Erfolg geblieben ist bzw. eine Vollstreckung aussichtslos sein würde. Das bedeutet, dass ein Vorrang der Inanspruchnahme des Steuerschuldners vor derjenigen des Haftenden einzuhalten ist.

 

Rz. 71

Da allerdings bei der Haftung nach § 25d UStG eine Kompensation von Vorsteuerabzug und Haftung stattfinden soll und regelmäßig beim Steuerschuldner nichts zu holen ist (er hat sich außer Stande gesetzt!), wurde insoweit die Subsidiarität der Haftungsinanspruchnahme beseitigt. Der haftende Unternehmer kann also sofort auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Eine Aufrechnungsmöglichkeit für die Finanzbehörde wird allerdings durch die Zahlungsaufforderung solange nicht eröffnet, wie der Haftungsanspruch zwar entstanden, aber noch nicht fällig ist. Im Regelfall wird jedoch mit dem Leistungsgebot (Zahlungsaufforderung) im Haftungsbescheid eine Zahlungsfrist genannt. Mit Ablauf dieser Frist wird die Haftungsschuld fällig[5] und ist die Aufrechnungslage für das Finanzamt gegeben. Auf diesem Weg kann die Beseitigung der Subsidiarität die Aufrechnungslage früher eintreten lassen.

[1] Blesinger, in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 25d UStG Rz. 99 – Rz. 101.
[4] Bericht des BT-Finanzausschusses zum Entwurf des StVBG v. 14.11.2001, BT-Drs. 14/7471, II. Einzelbegründung zu Art. 1, zu Nr. 5.

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