3.1 Bruttoleistung der Fotovoltaikanlage bis zu 30 kW (peak)

3.1.1 Fiktion bzw. Vereinfachungsregelung (§ 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 UStG)

3.1.1.1 Überblick

 

Rz. 17

Nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 0 % für die Lieferung von Solarmodulen an den Betreiber einer Fotovoltaikanlage, einschließlich der für den Betrieb einer Fotovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Stromspeicher, wenn die Fotovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und dem Gemeinwohl dienenden Gebäuden installiert wird. § 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 UStG enthält jedoch eine Fiktion bzw. Vereinfachungsregelung. Danach ist jede Fotovoltaikanlage eine begünstigte Anlage, wenn die installierte Bruttoleistung der Fotovoltaikanlage (Einheit) laut Marktstammdatenregister (MaStR) nicht mehr als 30 Kilowatt (peak) beträgt oder betragen wird. Besteht keine Registrierungspflicht im Marktstammdatenregister, ist die Vereinfachungsregelung grundsätzlich nicht anwendbar (vgl. jedoch Rz. 57).

Die Fiktion bzw. Vereinfachungsregelung des § 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 UStG gilt nicht für die Frage, wer Betreiber der Anlage ist. Auch für die Frage, ob es sich z. B. bei gelieferten Gegenständen um "wesentliche Komponenten" oder um begünstigte Nebenleistungen zur Lieferung einer Fotovoltaikanlage handelt, findet die Vereinfachungsregelung keine Anwendung (Rz. 23).

3.1.1.2 Begriff "Kilowatt (peak)"

 

Rz. 18

Die Maßeinheit "Kilowatt (peak)", abgekürzt auch kWp oder kW (peak), beschreibt die Nennleistung einer Fotovoltaikanlage unter Standardbedingungen. Dies sind 25 Grad Umgebungstemperatur, 1.000 Watt Einstrahlung und 90 Grad Einstrahlungswinkel. Die tatsächliche Stromausbeute einer Fotovoltaikanlage in Kilowattstunden hängt von diesen Parametern, aber auch der Anzahl der Sonnenstunden oder der Verschattung der Anlage ab. Die Angaben, welche Dachfläche für die Installation von 1 kW (peak) benötigt wird, schwanken zwischen 5,5 qm und 10 qm Dachfläche.[1]

[1] Schmidt, NWB 14/2023, 965, 966.

3.1.1.3 Begriff "Marktstammdatenregister"

 

Rz. 19

Das Marktstammdatenregister (MaStR) ist ein behördliches Register, welches von der Bundesnetzagentur geführt wird und das alle Anlagen und Einheiten des deutschen Energiesystems enthält. Im MaStR müssen alle netzgekoppelten Stromerzeugungsanlagen und Batteriespeicher sowie die Stammdaten von Anlagen- und Netzbetreibern und Energielieferanten registriert werden. Rechtsgrundlage für das Marktstammdatenregister ist § 111e EnergiewirtschaftsgesetzEnWG – und die Verordnung über das zentrale elektronische Verzeichnis energiewirtschaftlicher Daten (MarktstammdatenregisterverordnungMaStRV –).[1] Das MaStR ist grundsätzlich von jedermann nutzbar und im Internet abrufbar (www.marktstammdatenregister.de). Nach § 16 Abs. 3 Nr. 7 MaStRV eröffnet die Bundesnetzagentur den Finanzbehörden des Bundes und der Länder auf Anforderung einen Zugang zu Daten, die nach § 15 Abs. 1 MaStRV nicht veröffentlicht werden. Dies gilt auch für personenbezogene Daten, soweit die Finanzbehörden diese Daten zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben benötigen.[2]

[1] Schmidt, NWB 14/2023, 965, 966.

3.1.1.4 Sinn, Zweck und Entstehung der Vereinfachungsregelung

 

Rz. 20

Die Fiktion bzw. Vereinfachungsregelung des § 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 UStG dient der Praktikabilität, da für den Lieferer einer Fotovoltaikanlage oder deren Komponenten im Einzelfall der Nachweis der gebäudebezogenen Voraussetzungen bzw. Belegenheitsvoraussetzungen (insbesondere die begünstigte oder nicht begünstigte Nutzung des betreffenden Gebäudes) nur schwer zu erbringen ist. Die Vereinfachungsregelung ist keinesfalls so zu verstehen, dass nur Fotovoltaikanlagen mit einer Bruttoleistung von nicht mehr als 30 kW (peak) begünstigt wären. Fotovoltaikanlagen mit einer Bruttoleistung von mehr als 30 kW (peak) können ebenfalls begünstigt sein, wenn sie alle Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 UStG erfüllen (Rz. 26ff.). Bei den meisten Ein- und Zweifamilienhäusern wird die Dachfläche nicht ausreichen, um Anlagen mit einer Bruttoleistung von mehr als 30 kW (peak) zu installieren. Somit können die (Werk-)Lieferer von Fotovoltaikanlagen in den meisten Fällen, in denen nur die Dachfläche eines Ein- oder Zweifamilienhauses mit Solarmodulen bestückt wird, die Fiktion des § 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 UStG in Anspruch nehmen und den Nullsteuersatz anwenden.

Die Lieferung einer Fotovoltaikanlage mit einer Bruttoleistung von nicht mehr als 30 kW (peak) unterliegt aufgrund der Fiktion bzw. Vereinfachungsregelung des § 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 UStG auch dann dem Nullsteuersatz, wenn die Anlage auf einem ansonsten nicht begünstigten Gebäude (Rz. 27ff.) installiert wird. Dies gilt insbesondere für Fotovoltaikanlagen auf Gewerbegebäuden (z. B. Supermärkten, Werkstattgebäuden, Lagerschuppen usw.), aber auch auf landwirtschaftlichen Gebäuden (z. B. Stallgebäuden). Ebenso unterliegen auch Freilandanlagen mit einer Leistung von nicht mehr als 30 kW (peak) dem Nullsteuersatz, unabhängig davon, ob sie sich in der Nähe irgendeines Gebäudes befinden.[1]

 

Rz. 21

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung – FAZ – berichtet, wie es zu der 30 kW-Grenze gekommen sei.[2] Danach soll diese Regelung auf ein Interview des "Steuerfabi" von TikTok (Fabian Wa...

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