Rz. 19

Haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt, so findet auf die Entscheidung des FG ohne mündliche Verhandlung die Regelung des § 128 Abs. 2 ZPO (Schriftsatzfrist, Bestimmung des Verkündungstermins, Entscheidungsfrist) keine Anwendung. Für das FG besteht daher weder die Verpflichtung zur Bestimmung eines Zeitpunkts, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, noch zur Bekanntgabe des Zeitpunkts seiner bevor­stehenden Entscheidung[1]. Anders als im Zivilprozess befähigen Verzichtserklärungen der Verfahrensbeteiligten im finanzgerichtlichen Verfahren das Gericht grundsätzlich, "ohne Weiteres" im schriftlichen Verfahren zu entscheiden[2]. Die Beteiligten des finanzgerichtlichen Verfahrens müssen deshalb von der eigenen (wirksamen) Verzichtserklärung an grundsätzlich, unabhängig von irgendwelchen Mitteilungen seitens des Gerichts und ohne Gelegenheit zu einer weiteren Äußerung, mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren rechnen[3].

 

Rz. 20

Ist wirksam verzichtet worden, können Schriftsätze bis zum Absenden der Urteilsausfertigungen an die Beteiligten eingereicht werden und sind zu berücksichtigen. Dieser Zeitpunkt tritt im Fall des § 90 Abs. 2 FGO an die Stelle des Endes der mündlichen Verhandlung, weil das Gericht nur bis zu diesem Zeitpunkt das Urteil von sich aus noch ändern kann[4]. Schriftsätze brauchen nur dann nicht berücksichtigt zu werden, wenn der darin enthaltene Vortrag offensichtlich unerheblich ist[5]. Soweit vertreten wird, dass schon der Zeitpunkt der Bekanntgabe des unterschriebenen Urteils an einen der Beteiligten durch die Geschäftsstelle dazu führen soll, dass danach eingehende Schriftsätze nicht mehr zu berücksichtigen sind[6], ist dem nicht zu folgen. Ein ohne mündliche Verhandlung ergangenes Urteil wird – im Unterschied zu einem aufgrund mündlicher Verhandlung ergangenem Urteil – erst wirksam durch Zustellung nach § 104 Abs. 3 FGO; § 103 FGO gilt nicht[7]. Demgemäß kann – anders als bei Urteilen aufgrund mündlicher Verhandlung – die bloße Information eines Beteiligten nicht zu einer Bindungswirkung führen. Die bloße Information durch die Geschäftsstelle kann wegen der zu beachtenden Formerfordernisse bei der Zustellung nach § 104 Abs. 3 FGO nicht dieser gleichgestellt werden[8].

 

Rz. 21

Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung in der für den jeweiligen Termintag durch den Geschäftsverteilungsplan vorgeschriebenen Besetzung. Sofern danach eingehende Schriftsätze noch zu berücksichtigen sind (s. Rz. 16), entscheiden die Richter, die nach der Geschäftsverteilung am Tag der später erfolgenden Beratung und Abstimmung zuständig sind[9]. Denn eine Bindungswirkung ist in diesem Fall noch nicht eingetreten.

[6] Gräber/Herbert, FGO, 8. Aufl. 2015, § 90 Rz. 19 unter Hinweis auf BSG v. 14.12.1978, 2 RU 23/77, HFR 1980, 67; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 90 FGO Rz. 15.
[8] Mai, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 90 FGO Rz. 37; vgl. auch Schallmoser, in HHSp, AO/FGO, § 90 FGO Rz. 73.
[9] Gräber/Herbert, FGO, 8. Aufl. 2015, § 90 Rz. 19; Mai, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 90 FGO Rz. 37; a. A. Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 90 FGO Rz. 15.

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