Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtliches Gehör und Hinweispflicht; Verzicht auf mündliche Verhandlung

 

Leitsatz (NV)

1. Die richterliche Hinweispflicht des § 76 Abs. 2 FGO verlangt nicht, dass das Gericht die einzelnen für die Entscheidung erheblichen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte im Voraus andeutet.

2. Anders als im Zivilprozess befähigen Verzichtserklärungen der Verfahrensbeteiligten im finanzgerichtlichen Verfahren das Gericht grundsätzlich, "ohne weiteres" im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 76 Abs. 2, § 90 Abs. 2, § 96 Abs. 2; ZPO § 128 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

FG München (Urteil vom 25.06.2007; Aktenzeichen 15 K 223/04)

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) beruft, legt er diesen Zulassungsgrund nicht hinreichend i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dar. Denn er hebt keine klärungsbedürftige Rechtsfrage hervor (vgl. zu den Darlegungsanforderungen z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juli 2007 IV B 43/06, BFH/NV 2007, 2127, unter 4., m.w.N.), sondern wendet sich gegen die Rechtsanwendung durch das Finanzgericht im gegebenen Einzelfall, die eine Revisionszulassung aber nur unter besonderen Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Fallgruppe FGO (offensichtlicher Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung) zu rechtfertigen vermögen, die in der Beschwerdeschrift aber nicht ausgeführt wurden (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 17. August 2007 XI B 83/07, BFH/NV 2007, 2141, unter a, m.w.N.).

Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen nicht vor. Das FG hat nicht aufgrund einer Überraschungsentscheidung den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt. Denn es hat sein Urteil nicht auf einen bis dahin nicht erörterten Gesichtspunkt gestützt (vgl. zu den Voraussetzungen einer Überraschungsentscheidung BFH-Beschluss vom 29. Juni 2007 III B 95/06, BFH/NV 2007, 2125, 2126, unter II. 2., m.w.N.). Die Einkünfteerzielungsabsicht in Bezug auf das Grundstück des Klägers war im gesamten Verfahren im Streit. Entgegen der Auffassung der Beschwerde verlangt die richterliche Hinweispflicht des § 76 Abs. 2 FGO nicht, dass das Gericht die einzelnen für die Entscheidung erheblichen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte im Voraus andeutet (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Februar 2007 X B 105/06, BFH/NV 2007, 962).

Gemäß § 90 Abs. 2 FGO konnte das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Es musste entgegen der Rechtsauffassung des Klägers keinen Termin bestimmen, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht. Anders als im Zivilprozess befähigen Verzichtserklärungen der Verfahrensbeteiligten im finanzgerichtlichen Verfahren das Gericht grundsätzlich, "ohne weiteres" im schriftlichen Verfahren zu entscheiden. § 128 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung ist im Rahmen des § 90 Abs. 2 FGO nicht anwendbar (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteil vom 2. April 1997 X R 21/94, BFH/NV 1997, 547; BFH-Beschluss vom 24. August 1998 XI B 126/97, BFH/NV 1999, 332).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1859525

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