4.1 Grundlagen

 

Rz. 41

§ 103 AO, inhaltlich den Regelungen für das Strafverfahren[1] und für das Zivilgerichtsverfahren[2] entsprechend, begründet sich daraus, dass für einen am eigentlichen Verfahren unbeteiligten Dritten (s. Rz. 42) die Grenze der Zumutbarkeit überschritten würde, wenn er mit der Auskunft sich selbst oder einen seiner Angehörigen (§ 15 AO; s. Rz. 11) einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezichtigen müsste, selbst wenn er im Hinblick auf das Steuergeheimnis[3] und das Verwendungsverbot in § 393 Abs. 2 AO vor einer Verfolgung weitgehend geschützt wäre. Das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 103 AO soll den Auskunftspflichtigen vor dem sich aus dieser Situation ergebenden Gewissenskonflikt schützen (s. Dumke, in Schwarz, AO, § 103 Rz. 1 m. w. N.).

4.2 Voraussetzungen

4.2.1 Verweigerungsberechtigte Personen

 

Rz. 42

§ 103 S. 1 AO beschreibt den Personenkreis, der zur Auskunftsverweigerung berechtigt ist, negativ. Die Personen dürfen nicht Beteiligte und nicht für einen Beteiligten auskunftspflichtig sein. Es muss sich also um "andere Personen" i. S. v. § 93 Abs. 1 AO (s. Rz. 41) handeln.

4.2.2 Gefahr der Verfolgung

 

Rz. 43

Voraussetzung des Verweigerungsrechts ist, dass sich aus der Auskunftserteilung die Verfolgungsgefahr für den Auskunftspflichtigen oder einen seiner Angehörigen (§ 15 AO; s. Rz. 11) ergibt.

Diese Gefahr der Verfolgung besteht in der Möglichkeit der Einleitung oder Durchführung eines Verfahrens mit Zielrichtung der Ahndung. Voraussetzung eines solchen Verfahrens ist, dass ein entsprechender Tatverdacht entstehen oder verfestigt werden kann, d. h., dass tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit in Erscheinung treten bzw. erhärtet werden (§ 152 Abs. 2 StPO; s. Dumke, in Schwarz, AO, § 103 Rz. 4a). Hierbei reicht auch eine entfernte Möglichkeit oder nur die Beweiserleichterung für ein bereits anhängiges Verfahren[1]. Ein Anfangsverdacht löst die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung aus und damit das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 103 AO[2].

Diese Gefahr muss objektiv bestehen. Eine Verfolgungsgefahr ist nicht gegeben, wenn eine rechtskräftige Verurteilung wegen der Tat erfolgt[3] oder rechtskräftig eingestellt ist[4], wenn Rechtfertigungsgründe, schuldbefreiende oder strafausschließende Umstände vorliegen. Damit entfällt das Auskunftsverweigerungsrecht z. B. bei einer wirksamen strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 AO, bei Schuldunfähigkeit gemäß § 19 StGB, bei Verjährung nach §§ 78ff. StGB (s. Dumke, in Schwarz, AO, § 103 Rz. 4c m. w. N.).

[3] S. z. B. BFH v. 7.5.2007, X B 167/06, BFH/NV 2007, 1524 unter Verweis auf BGH v. 13.11.1998, StB 12/98, NJW 1999, 1413 für den Fall, dass im strafrechtlichen Rechtsmittelverfahren nur noch zugunsten des Angeklagten über die Strafmilderung zu entscheiden ist.

4.2.3 Straftat oder Ordnungswidrigkeit

 

Rz. 44

Durch die Auskunftserteilung muss die Verfolgungsgefahr wegen einer zuvor begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit erwachsen oder verstärkt werden[1]. Eine Straftat ist eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung oder Unterlassung, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht[2]. Eine Ordnungswidrigkeit ist nach §§ 1 Abs. 1, 8 OWiG eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung oder Unterlassung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt. Es muss sich nach § 103 S. 1 AO nicht um eine Steuerstraftat[3] bzw. Steuerordnungswidrigkeit[4] handeln (s. Dumke, in Schwarz, AO, § 103 Rz. 4d). Straf- oder bußgeldrechtlich nicht relevantes Verhalten, das aber dem Auskunftspflichtigen oder seinem Angehörigen "zur Unehre gereichen" würde[5], rechtfertigt die Auskunftsverweigerung ebenfalls nicht (s. Dumke, in Schwarz, AO, § 103 Rz. 4e). Zur Offenbarungspflicht gesetz- oder sittenwidrigen Handelns s. § 40 AO. Auch steuerliche Nachteile in eigenen Steuerangelegenheiten sind nicht ausreichend. Bei steuerlichen Nachteilen für Angehörige der Auskunftsperson greift entsprechend das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 101 AO ein.

Wegen der Auskunftsverweigerung bei Gefahr disziplinarrechtlicher oder ehrengerichtlicher Verfolgung s. Dumke, in Schwarz, AO, § 103 Rz. 4f.

4.3 Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts

 

Rz. 45

§ 103 S. 1 AO gibt nur ein eingeschränktes Auskunftsverweigerungsrecht[1]. Dieses besteht nur hinsichtlich der Beantwortung solcher Fragen, die die Verfolgungsgefahr begründen können (s. Dumke, in Schwarz, AO, § 103 Rz. 5). Ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht ergibt sich dann, wenn die Verfolgungsgefahr durch alle Antworten auf alle zu stellenden Fragen begründet wird[2]. Lässt sich hingegen das Beweisthema in Bereiche mit und ohne Verfolgungsgefahr aufteilen, so entfällt für die letztgenannten Bereiche das Verweigerungsrecht[3].

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