1 Allgemeines

 

Rz. 1

Diese Vorschrift über die sog. Beteiligtenöffentlichkeit ist Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör[1]. Fehlende oder nicht rechtzeitige Benachrichtigung bzw. Nichtzulassung einer sachdienlichen Frage können daher absolute Revisionsgründe sein[2]. Allerdings kann das Rügerecht verloren gehen, wenn ausdrücklich oder stillschweigend auf die entsprechenden Rügen verzichtet und der Verfahrensmangel nicht noch im Verfahren vor dem Finanzgericht geltend gemacht wurde[3].

 

Rz. 2

Der hier normierte Grundsatz der Beteiligtenöffentlichkeit ist neben dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme[4] die zweite wesentliche Regel des Strengbeweises. § 83 FGO ersetzt § 82 FGO i. V. m. § 397 ZPO, der Fragen der Beteiligten nicht unmittelbar, sondern nur über den Vorsitzenden zulässt.

 

Rz. 3

Beteiligte[5] sind alle zu Beginn des jeweiligen Beweistermins am Verfahren Beteiligte. Kommen später im Laufe des Verfahrens weitere Beteiligte hinzu, muss der Beweistermin nicht wiederholt werden.

 

Rz. 4

Der Begriff Beweistermin ist weit zu verstehen. Er umfasst alle Arten von Beweisaufnahmen[6], auch solche nach § 79 Abs. 3 FGO und § 91a FGO (Videokonferenz), außerhalb des Gerichtsgebäudes und im Ausland[7]. Wenn ein Sachverständiger selbstständig den Sachverhalt ermittelt – etwa einen Ortstermin durchführt –, gilt § 83 FGO analog[8].

[1] Art. 103 Abs. 1 GG; Gräber/Herbert, FGO, 8. Aufl. 2015, § 83 Rz. 1.
[5] vgl. § 57 FGO.
[7] BFH v. 15.7.2003, VIII B 76/03, BFH/NV 2004, 50; Schallmoser, in HHSp, AO/FGO, § 83 FGO Rz. 11; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 83 FGO Rz. 1f; Stiepel, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 83 FGO Rz. 4.

2 Benachrichtigung und Anwesenheit, § 83 Satz 1 FGO

 

Rz. 5

Von allen Beweisterminen sind die Beteiligten bzw. ihre Bevollmächtigten[1] durch Zustellung[2] zu benachrichtigen. Das gilt auch bei Beweisterminen vor dem verordneten Richter[3]. Denn § 357 ZPO ist in § 82 FGO nicht in Bezug genommen. Die Beteiligten sind unter Angabe des Beweisthemas, besser unter Mitteilung des Beweisbeschlusses, von allen Beweisterminen so rechtzeitig zu benachrichtigen, dass sie sich sachgerecht vorbereiten und entscheiden können, ob ihnen die Teilnahme sinnvoll erscheint. Bevollmächtigte sind so rechtzeitig zu benachrichtigen, dass sie ihre Mandanten ausreichend informieren können[4]. Eine Ladungsfrist ist nur einzuhalten, wenn die Beweisaufnahme innerhalb der mündlichen Verhandlung stattfindet[5]. Bei Verhinderung eines Beteiligten und Anträgen auf Terminverlegung gelten § 91 FGO und § 155 FGO i. V. m. § 227 ZPO.

 

Rz. 6

Die Beteiligten können an allen Beweisterminen, nicht nur an solchen mit Zeugen oder Sachverständigen, teilnehmen. Auch die mündliche Erläuterung eines schriftlichen Gutachtens gem. § 82 FGO i. V. m. § 411 Abs. 3 ZPO ist Beweistermin[6], von dem die Beteiligten zu benachrichtigen sind. Anwesenheitspflicht besteht jedoch nur, wenn das persönliche Erscheinen nach § 80 Abs. 1 FGO durch das Prozessgericht angeordnet worden ist. Die Beweisaufnahme kann auch ohne die Beteiligten durchgeführt werden.

 

Rz. 7

Wird ein Beweistermin trotz unterbliebener oder nicht rechtzeitiger Benachrichtigung von Beteiligten durchgeführt, so ist er zu wiederholen, um den absoluten Revisionsgrund auszuräumen (vgl. Rz. 1). Der betroffene Beteiligte muss nicht nachweisen, dass das Ergebnis der Beweisaufnahme bei seiner Anwesenheit für ihn günstiger ausgefallen wäre[7].

 

Rz. 8

Werden Zeugen oder Sachverständige per Videokonferenz nach § 91a Abs. 2 FGO vernommen, sind die Beteiligten davon zu unterrichten und sowohl über den Zeitpunkt sowie die Orte, die in die Videokonferenz einbezogen sein sollen, zu benachrichtigen. Die Beteiligten können der Beweisaufnahme an dem Ort beiwohnen und Fragen stellen, an dem sich der zu vernehmende Zeuge oder Sachverständige aufhält, oder am Gerichtsort bzw. an dem Ort, der ihnen als Aufenthaltsort nach § 91a FGO gestattet ist[8].

[4] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 83 FGO Rz. 4.
[6] BFH v. 26.1.1979, II R 99/76, BStBl II 1979, 254.
[7] BFH v. 15.7.2003, VIII B 76/03, BFH/NV 2004, 50; Schallmoser, in HHSp, AO/FGO, § 83 FGO Rz. 18.

3 Fragerecht, § 83 Sätze 2 und 3 FGO

 

Rz. 9

Alle Beteiligten können unmittelbar sachdienliche Fragen an Zeugen, Sachverständige und die übrigen Beteiligten stellen[1]. § 83 FGO geht über § 82 FGO i. V. m. § 397 ZPO hinaus. Die Vorschrift bedeutet nicht, dass der Vorsitzende insoweit die Verhandlungsleitung abgibt. Die Fragen der Beteiligten sind erst nach Aufforderung durch den Vorsitzenden, nachdem der Zeuge oder Sachverständige im Zusammenhang vorgetragen hat und durch das Gericht befragt worden ist, zu stellen[2]. Das Fragerecht darf den Beteiligten aber durch das Gericht nicht v...

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