Rz. 76

Ist eine unter Beachtung der Voraussetzungen von § 364b Abs. 1 und 3 AO wirksam verfügte Ausschlussfrist verstrichen, muss neues Vorbringen im Einspruchsverfahren unberücksichtigt bleiben.[1] Eine Einspruchsentscheidung sollte die Voraussetzungen für die Zurückweisung verspäteten Vorbringens anführen, um dem FG die Überprüfung der Einspruchsentscheidung auf Verfahrens- und Ermessensfehler hin zu ermöglichen. Das Gericht kann, wenn es die Voraussetzungen einer Präklusion im Einspruchsverfahren für nicht erfüllt hält, die Einspruchsentscheidung bei entsprechendem Antrag isoliert aufheben[2] oder die Sache an die Einspruchsbehörde zurückverweisen, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.[3] Es kann aber auch seinerseits Ausschlussfristen nach § 65 Abs. 2 FGO und § 79b FGO setzen bzw. bereits Vorgetragenes bei einer Sachentscheidung berücksichtigen. Hat die Einspruchsbehörde entgegen § 364b Abs. 2 AO nachträgliches Vorbringen zugelassen und in der Einspruchsentscheidung gewürdigt, kommt eine Präklusion eben dieses Vorbringens im gerichtlichen Verfahren nicht in Betracht. Denn Gegenstand der Anfechtungsklage ist gem. § 44 Abs. 2 FGO der Verwaltungsakt in Gestalt der Einspruchsentscheidung. Es handelt sich bei der Frage, ob bestimmtes Vorbringen vom Gericht gem. § 76 Abs. 3 FGO zurückgewiesen werden kann, nicht um eine Frage der Zulässigkeit der Klage, sondern allein um die Frage, inwieweit der gerichtliche Amtsermittlungsgrundsatz nach § 76 Abs. 1 S. 1 FGO begrenzt ist.

 

Rz. 77

Eine Präklusion tritt im Einspruchsverfahren nicht ein, wenn die Behörde mit der Einspruchsentscheidung den angefochtenen Verwaltungsakt verbösert. In einem solchen Fall war nachträgliches Vorbringen zugunsten wie zulasten des Einspruchsführers zu berücksichtigen.[4] Das Gericht kann in Verböserungsfällen das nach Ablauf der behördlichen Ausschlussfrist sowohl im Einspruchsverfahren als auch im anschließenden Gerichtsverfahren nachträglich Vorgetragene nicht zurückweisen und bei seiner Entscheidung unberücksichtigt lassen. Die von der Behörde gesetzte Ausschlussfrist ist durch die Verböserung im Einspruchsverfahren verbraucht, auch wenn im Einspruchsverfahren nachträglich nichts vorgebracht wurde oder die Behörde nachträgliches Vorbringen tatsächlich nicht verwertet hat. Das folgt aus § 44 Abs. 2 FGO, wonach Gegenstand der Anfechtungsklage der Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch das Einspruchsverfahren gefunden hat. In solchen Fällen muss das Gericht, will es eine Präklusion herbeiführen, nach § 79b FGO vorgehen.

 

Rz. 78

Ist die Ausschlussfrist im Einspruchsverfahren wirksam gesetzt worden, kann das Gericht nach Ablauf der Frist im Einspruchs- oder Gerichtsverfahren vorgebrachte Erklärungen oder Beweismittel zurückweisen und ohne weitere eigene Ermittlungen entscheiden. Das hebt den Amtsermittlungsgrundsatz aus § 76 Abs. 1 S. 1 FGO aber nicht vollständig auf. Das Gericht hat den im Einspruchsverfahren bis zum Ablauf der Ausschlussfrist vorgetragenen oder sich aus den vorgelegten Akten ergebenden[5] Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und die bis dahin benannten oder nahe liegenden Beweismittel auszuschöpfen.[6] Nur zu den Punkten, zu denen die Ausschlussfrist wirksam gesetzt war, kann der Kläger mit weiteren Erklärungen und Beweismitteln ausgeschlossen werden und können Ermittlungen vonseiten des Gerichts unterbleiben.[7] Ebenso ist der Kläger, insbesondere wenn die Ausschlussfrist nach § 364b Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO und nicht nach § 364b Abs. 1 Nr. 1 AO gesetzt war, nicht gehindert, nach Fristablauf Weiteres, auf das die Fristsetzung sich nicht bezogen hat, vorzubringen.[8] Denn die Tatsachen, zu denen er sich erklären sollte, sowie die Beweismittel und Urkunden mussten in der fristsetzenden Verfügung genau bezeichnet werden. Nur hinsichtlich dieser Tatsachen und Beweismittel kann daher Präklusion eintreten. Weiterer Vortrag zu in der behördlichen Fristsetzung nicht benannten Bereichen kann dem Kläger nicht durch allgemein gehaltene Aufforderungen zu weiterem Vortrag abgeschnitten werden, sondern nur durch Setzen einer Ausschlussfrist seitens des Gerichts nach § 79b FGO.

 

Rz. 79

Will das Gericht weiteres Vorbringen nach § 76 Abs. 3 FGO zurückweisen, muss es unter Beachtung von § 79b Abs. 3 FGO eine Ermessensentscheidung treffen.[9] Allerdings soll sich das dem Gericht zustehende Ermessen nach einer Auffassung regelmäßig auf Null reduzieren.[10] Den Beteiligten ist rechtliches Gehör zu gewähren. Streitig ist, ob die entsprechende Anwendung von § 79b Abs. 3 S. 1 Nr. 3 FGO dazu führt, dass die Belehrung nach § 364b AO auch über die mögliche Präklusion im anschließenden Gerichtsverfahren zu erfolgen hat, damit im gerichtlichen Verfahren eine Präklusion nach § 76 Abs. 3 FGO eintreten kann.[11] M. E. ist der Auffassung von Herbert zuzustimmen, wonach sich aus der entsprechenden Anwendung des § 79b Abs. 3 FGO keine zusätzlichen Präklusionsvoraussetzungen ergeben. Ein Hinweis auf die mögliche Präklusion im gerichtlichen Verfahren ber...

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