Rz. 55

Zumutbarer Inhalt und Intensität der richterlichen Ermittlung stehen im Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beteiligten. Je intensiver sich die Mitwirkung der Beteiligten gestaltet, umso stärker ist das FG gehalten, deren Vorbringen zu untersuchen. Je weniger die Beteiligten andererseits ihrer Mitwirkungspflicht nachkommen, umso weniger Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung hat i. d. R. auch das Gericht, sodass sich die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung mindert. Die Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen wird so durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten begrenzt.[1] Das Gericht ist nicht verpflichtet, jede nur denkbare Sachverhaltskonstellation zu erforschen, wenn die Beteiligten oder der Akteninhalt keine Anhaltspunkte in diese Richtung geben.[2] Es hat die Beteiligten zwar aufzufordern, alles ihnen wesentlich Erscheinende vorzutragen. Kommen die Beteiligten dieser Aufforderung jedoch nicht nach, so endet auch die Ermittlungspflicht des Gerichts.[3]

 

Rz. 56

Verletzen die Beteiligten ihre Mitwirkungspflichten zur Ermittlung des Sachverhalts, so hat das Gericht daraus im Rahmen der Beweiswürdigung seine Schlüsse zu ziehen.[4] Das Gericht muss aber zunächst von sich aus die vorgelegten Akten auswerten.[5]

 

Rz. 57

Zunächst hat das FG eine Reduzierung des Beweismaßes zu erwägen, wenn die gerichtlichen Versuche zur Sachaufklärung erfolglos bleiben, weil ein Beteiligter, der über eine besondere Beweisnähe verfügt, die ihm zumutbare Mitwirkung an der Sachaufklärung[6] verweigert. In einem solchen Fall ist zu überlegen, ob das im konkreten Einzelfall für die richterliche Überzeugungsbildung erforderliche, aber auch ausreichende Beweismaß gegenüber dem Regelbeweismaß zu reduzieren ist. Das Beweismaß kann sich dann auf eine "größtmögliche Wahrscheinlichkeit" verringern.[7]

 

Rz. 58

Erst wenn nicht mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen einer Tatsache geschlossen werden kann, sind die Regeln über die Feststellungslast anzuwenden. Lässt sich danach eine Sachverhaltsfeststellung nicht treffen, ist grundsätzlich nach Beweislastregeln zu entscheiden[8] bzw. muss das Gericht, wenn die Voraussetzungen des § 162 AO vorliegen, schätzen, wobei es ggf. seine eigene Schätzung an die Stelle der Schätzung des FA zu setzen hat.[9]

 

Rz. 59

Obliegt den Beteiligten nach materiellem Steuerrecht eine Nachweispflicht, kommt weder Beweiswürdigung noch Schätzung seitens des Gerichts in Betracht. Die behauptete, aber nicht nachgewiesene Tatsache ist als nicht existent zu behandeln.

 

Rz. 60

Ist eine einem Beteiligten zur Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht nach § 79b Abs. 1 und 2 FGO gesetzte Ausschlussfrist verstrichen, kann das Gericht nach § 76 Abs. 3 FGO späteres Vorbringen zurückweisen und bei der Entscheidung unbeachtet lassen.[10]

 

Rz. 61

Die versäumte Mitwirkung der Beteiligten bei der Sachaufklärung kann im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden.[11] Die Verletzung der Mitwirkungspflicht kann bei der Kostenentscheidung berücksichtigt werden.[12]

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