Rz. 9

Das zur Entscheidung berufene FG kann ein Verfahren nur aussetzen, wenn das vorgreifliche Rechtsverhältnis den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Hieran fehlt es, wenn das andere Verfahren bei demselben Senat desselben Gerichts anhängig ist. Denn nur wenn dem zuständigen Spruchkörper die Kompetenz für die vorgreifliche Entscheidung fehlt, lässt sich die Aussetzung des Verfahrens mit ihren weitreichenden Wirkungen rechtfertigen.[1] Nach Auffassung von Herbert [2] erscheint die Beschränkung auf Verfahren bei einem anderen Gericht bzw. Senat in dieser Allgemeinheit nicht geboten, weil aus verfahrensrechtlichen Gründen die Abhängigkeit auch bestehen kann, wenn Verfahren bei demselben Senat anhängig sind; z. B. bei Anfechtung von Grundlagen- und Folgebescheid. Dem dürfte allerdings nur in Ausnahmefällen zu folgen sein, denn der zuständige Spruchkörper kann im Regelfall über beide Verfahren gleichzeitig entscheiden. Im Übrigen kommen Verfahren vor Gerichten aller Gerichtsbarkeiten in Betracht. Auch ein Schiedsgericht soll grundsätzlich ein solches Gericht sein.[3]

 

Rz. 10

Entgegen dem Wortlaut des § 74 FGO kann es sich bei dem betreffenden Rechtsstreit nicht nur um ein bereits anhängiges Verfahren handeln, sondern auch um ein solches Verfahren, das ggf. nach Fristsetzung durch das FG von einem der Beteiligten erst noch anhängig zu machen ist.[4] Sofern der in Frage kommende Beteiligte dieser nicht erzwingbaren Aufforderung nicht nachkommt, ist die Aussetzung ausgeschlossen und das angerufene FG muss über die Vorfrage selbst entscheiden.[5] Sofern dem angerufenen FG die Entscheidungskompetenz fehlt, muss es seine Entscheidung unter Anwendung der Regeln über die Beweislast treffen.[6] Eine solche vom Wortlaut des § 74 FGO abweichende Zulässigkeit der Aussetzung des Verfahrens rechtfertigt sich aus dem Zweck der Vorschrift.[7] Eine Aussetzung des Verfahrens kommt aber jedenfalls dann nicht mehr in Betracht, wenn das andere Verfahren nicht mehr anhängig ist.[8]

[2] Gräber/Herbert, FGO, 9. Aufl. 2019, § 74 Rz. 4.
[3] Gräber/Herbert, FGO, 9. Aufl. 2019, § 74 Rz. 5.
[7] Vgl. Rz. 5; zutreffend: Thürmer, in HHSp, AO/FGO, § 74 FGO Rz. 47.

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