Rz. 3

Nach § 71 Abs. 1 FGO hat das FG dem Beklagten die Klageschrift von Amts wegen zusammen mit der Aufforderung zur ggf. fristgebundenen Stellungnahme zuzustellen. Allerdings wird ein finanzgerichtlicher Rechtsstreit im Unterschied zum Zivilprozess[1] bereits mit Eingang der Klage bei Gericht gem. § 66 S. 1 FGO rechtshängig.[2] Der Zustellung der Klageschrift bedarf es hierzu daher nicht, so dass die Zustellung der Klageschrift einerseits dem Fortgang des Verfahrens dient und andererseits auch der prozessualen Fürsorgepflicht des Gerichts gegenüber dem Kläger entspricht.[3] Daneben regelt § 77 FGO den Austausch der weiteren Schriftsätze, die im Fortgang des vorbereitenden Verfahrens von den Beteiligten nach Zustellung der Klageschrift an den Beklagten eingereicht werden.[4]

 

Rz. 4

Die Zustellung der Klageschrift darf im finanzgerichtlichen Verfahren auch nicht von der Zahlung des Kostenvorschusses auf die Gerichtsgebühren abhängig gemacht werden. Lediglich in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten soll die Klage in der Regel gem. § 12 S. 1 GKG erst nach Zahlung der Verfahrensgebühr zugestellt werden. Eine Ausnahme gilt nur für die Entschädigungsklage nach § 155 S. 2 FGO i. V. m. § 198 GVG wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens.[5] Daher ist gem. § 12a S. 2 GKG in der Aufforderung zur Zahlung der Verfahrensgebühr der Kläger von Amts wegen bereits darauf hinzuweisen, dass die Klage erst nach Zahlung dieser Gebühr zugestellt und die Streitsache gem. § 66 S. 2 FGO erst mit Zustellung der Klage rechtshängig wird. Die Vorschusspflicht entfällt in diesen Fällen jedoch gem. § 14 Nr. 1 GKG bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

[2] Zu den Wirkungen der Rechtshängigkeit Dumke, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 66 FGO Rz. 1ff.
[3] Schoenfeld, in Gosch, AO/FGO, § 71 FGO Rz. 3; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 71 FGO Rz. 1; Schallmoser, in HHSp, AO/FGO, § 71 FGO Rz. 11.

2.1 Zustellung der Klageschrift (Abs. 1 S. 1)

 

Rz. 5

Die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten erfolgt nach Eingang bei Gericht unverzüglich von Amts wegen gem. § 53 Abs. 2 FGO nach den Vorschriften der ZPO.[1] Der Zustellung der Klageschrift kommt insbesondere bei einer Sprungklage i. S. d. § 45 FGO eine besondere verfahrensrechtliche Bedeutung zu, weil mit der Zustellung gem. § 45 Abs. 1 S. 1 FGO die Frist für die Zustimmung der beklagten Finanzbehörde zur Sprungklage in Gang gesetzt wird.[2]

 

Rz. 6

Gegenstand der Zustellung war bisher nicht das Original der (unterzeichneten) Klageschrift einschließlich der beigefügten Anlagen, sondern lediglich deren Abschrift(en) i. S. d. §§ 64 Abs. 2, 77 Abs. 2 FGO. Die Originale sind in der Gerichtsakte verblieben. Aufgrund der (verbindlichen) elektronischen Aktenführung nach § 52b FGO in den FG und dem hiermit verbundenen einscannen der Eingangspost sind Abschriften nunmehr allerdings entbehrlich. Denn die (elektronisch) an das FG übermittelte Klageschrift wird sodann ebenso nach § 169 ZPO elektronisch an die beklagte Finanzbehörde gegen ein elektronisches Empfangsbekenntnis i. S. d. § 174 Abs. 4 ZPO zugestellt. Jedenfalls im Zusammenhang mit der Übermittlung von elektronischen Dokumenten ist die Übermittlung von Abschriften nach § 55a Abs. 5 S. 3 FGO nunmehr auch ausdrücklich entbehrlich. Die Voraussetzungen für eine rechtswirksame Einreichung elektronischer Dokumente bei den FG richtet sich nach § 52a FGO.[3]

 

Rz. 7

Adressat der Zustellung ist der in der Klageschrift bezeichnete – oder ggf. durch Auslegung zu ermittelnde – Beklagte. Wird der beklagten Finanzbehörde die Klageschrift nicht (ordnungsgemäß) zugestellt, sondern anderweitig übersandt oder mitgeteilt, kann dieser Mangel regelmäßig nach § 53 Abs. 2 FGO i. V. m. § 189 ZPO geheilt werden.[4] Gibt das FG der Klage aber ohne vorherige Zustellung der Klageschrift an den Beklagten statt, wird diesem das rechtliche Gehör versagt. Die beklagte Finanzbehörde kann insoweit im Rahmen des gegen die Entscheidung eingelegten Rechtsmittels eine Gehörsverletzung geltend machen.[5] Anderen Beteiligten i. S. d. § 57 FGO ist die Klageschrift nicht zuzustellen. Daher ist insbesondere ein (später) Beigeladener nicht nach § 71 Abs. 1 S. 1 FGO zur Gegenäußerung aufzufordern, sondern lediglich rechtliches Gehör zu gewähren.[6]

 

Rz. 8

Die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten hat nicht nur zu erfolgen, wenn z. B. der Kläger bereits ein Exemplar der Klageschrift an die beklagte Finanzbehörde übermittelt hat, sondern auch dann, wenn die Klage bei der beklagten Finanzbehörde entsprechend § 47 Abs. 2 FGO angebracht und anschließend vom Beklagten dem Gericht zugeleitet worden ist.[7] Denn durch die Anbringung der Klage bei der Finanzbehörde ist die Klage noch nicht i. S. d. § 64 Abs. 1 FGO erhoben. Die Wirkungen der Rechtshängigkeit einer Klage i. S. d. § 66 S. 1 FGO treten erst mit Eingang der Klageschr...

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