Rz. 4

Aus der Rechtshängigkeit folgen sodann die Entscheidungsbefugnis und Entscheidungspflicht des angerufenen Gerichts. Nach § 17 Abs. 2 S. 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit – gem. § 17 Abs. 2 S. 2 GVG unbeschadet der Art. 14 Abs. 3 Satz 4 und 34 Satz 3 GG – unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten (sog. rechtswegüberschreitende Sach- und Entscheidungskompetenz). Dies bedeutet nach der Vorstellung des Gesetzgebers, dass das angerufene Gericht den Rechtsstreit grundsätzlich umfassend entscheidet, sofern der zu ihm beschrittene Rechtsweg für einen Klagegrund bzw. Streitgegenstand zulässig ist.[1]

D. h. in den Fällen, in denen der Streitgegenstand auf mehrere, verschiedenen Rechtswegen zugeordnete auch tatsächlich und rechtlich selbständige Grundlagen gestützt wird, ist das angerufene Gericht zur Entscheidung über sämtliche Klagegründe verpflichtet, sofern nur der Rechtsweg für einen von ihnen gegeben ist.[2] Derartige Fallgestaltungen sind bei Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten wohl aber nur im Bereich von Leistungsklagen denkbar.[3] Jedenfalls erstreckt sich dies nicht auf den Fall der Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung, denn bei der zur Aufrechnung gestellten rechtswegfremden Forderung handelt es sich nicht um einen "rechtlichen Gesichtspunkt" i. S. des § 17 Abs. 2 GVG, sondern um ein selbständiges Gegenrecht, das dem durch die Klage bestimmten Streitgegenstand einen weiteren selbständigen Gegenstand hinzufügt.[4]

In den Fällen der objektiven und subjektiven Klagehäufung ist die Zulässigkeit des Rechtswegs und insoweit auch die Entscheidungsbefugnis des angerufenen Gerichts allerdings für jeden Streitgegenstand folgerichtig gesondert zu prüfen.[5]

[2] BGH v. 28.2.1991, III ZR 53/90, NJW 1991, 1686.
[3] BFH v. 16.4.2014, II B 59/13, BFH/NV 2014, 1504; so auch Gräber/Herbert, FGO, 9. Aufl. 2019, Anhang zu § 33 Rz. 14.
[4] FG Köln v. 1.12.2006, 5 K 2566/04, DStRE 2007, 793; Gräber/Herbert, FGO, 9. Aufl. 2019, Anhang zu § 33 Rz. 14 a. E. mit weiteren Hinweisen; vertiefend Ossinger, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 74 FGO Rz. 17ff.

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