Rz. 32

Die Unzulässigkeit der Klage gegen den "Erstbescheid" hindert nach h. M. den Eintritt der Rechtswirkung des § 68 FGO (BFH v. 11.12.1986, IV R 184/84, BStBl II 1987, 303; BFH v. 4.9.1997, IV R 27/96, BFH/NV 1998, 768; BFH v. 16.12.2008, I R 29/08, BStBl II 2009, 539; Bartone, in Kühn/v. Wedelstädt, AO, 19. Aufl. 2008, § 68 FGO Rz. 8; v. Groll, in Gräber, FGO, 6. Aufl. 2006, § 68 FGO Rz. 40; Schallmoser, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 68 FGO Rz. 66; Seer, in Tipke/Kruse, AO, § 68 FGO Rz. 18; Stöcker, in Beermann/Gosch, AO, § 68 FGO Rz. 43). Will der Kläger sich gegen den "neuen Verwaltungsakt" zur Wehr setzen, so muss ihm der "reguläre" Rechtsweg offen stehen (s. Rz. 29). Eine unmittelbare Klage gleich gegen den "neuen Verwaltungsakt" kommt nur als "Sprungklage" nach § 45 FGO in Betracht und erfordert die behördliche Zustimmung[1] bzw. die gerichtliche Nichtabgabe[2]. Der Einspruch gegen den "neuen Verwaltungsakt" ist jedoch in diesem Fall (anders als Rz. 22) nicht ausgeschlossen, da § 68 FGO keine Anwendung findet[3]. Die durch die Unzulässigkeit der Klage gegen den "Erstbescheid" eingetretene Bestandskraft wirkt sich auf die Entscheidung über den "neuen Verwaltungsakt" aus. Sie begrenzt nach § 351 Abs. 1 AO die Einspruchsbefugnis.

 

Rz. 33

Bei dieser Auffassung ist allerdings der sichere Rechtsschutz gegen den "neuen Verwaltungsakt" gefährdet, wenn z. B. die Unzulässigkeit erst in einem sehr späten Stadium des Klageverfahrens bemerkt wird. Ein gegen den "neuen Verwaltungsakt" eingelegter Einspruch wird dann regelmäßig verspätet sein[4], sodass der Rechtsschutz nur über eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO gesichert werden kann. Hier sind zwei Fristen zu beachten:

  • Nach § 110 Abs. 2 S. 1 AO ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses einzulegen. Diese Frist beginnt mit der Rechtskraft des Urteils des FG über die Unzulässigkeit der Klage gegen den "Erstbescheid" (Schallmoser, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 68 FGO Rz. 90) und der daraus folgenden Nichtanwendbarkeit des § 68 FGO für den "neuen Verwaltungsakt"[5].
  • Nach § 110 Abs. 3 S. 1 AO kann nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Einspruchsfrist der Einspruch nur dann noch eingelegt werden, wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Als höhere Gewalt i. d. S. hat das FG des Saarlandes (v. 25.4.2007, 1 K 2182/03, Haufe-Index 20477558) unter Berufung auf das Urteil des BFH v. 16.8.1979, I R 95/76, BStBl II 1980, 47 die hier vorliegende Situation angesehen, weil der Kläger durch die verzögerte Bearbeitung des FG von der fristgerechten Einspruchseinlegung abgehalten worden ist. Die Wiedereinsetzung muss danach zur Sicherung des Rechtsschutzes ohne Berücksichtigung der Jahresfrist gewährt werden (auch Schallmoser, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 68 FGO Rz. 90).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge