2.2.1 Bekanntgabe des "neuen Verwaltungsakts"

 

Rz. 19

Da die Rechtswirkung des § 68 FGO kraft Gesetzes eintritt und der "neue Verwaltungsakt" demgemäß unmittelbar im Klageverfahren erlassen wird, ist dieser, wenn hierfür ein Prozessbevollmächtigter bestellt ist, dem Prozessbevollmächtigten bekannt zu geben[1]. Für die Bekanntgabe ist davon auszugehen, dass sich die Prozessvollmacht regelmäßig auch auf die Befugnis zur Empfangnahme von "neuen Verwaltungsakten" hinsichtlich des angefochtenen Verwaltungsakts erstreckt[2], sofern sie nicht zweifelsfrei inhaltlich begrenzt ist[3]. Die Erteilung der Prozessvollmacht schränkt das für die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts der Finanzbehörde durch § 122 Abs. 1 S. 3 AO eingeräumte Ermessen dahin gehend ein, dass die Bekanntgabe an den Stpfl. selbst stets ermessensfehlerhaft ist. Dies setzt jedoch voraus, dass der Finanzbehörde die Bestellung des Prozessbevollmächtigten bekannt ist[4]. Die Vollmachtsurkunde braucht dem FG nicht vorgelegt zu sein (s. BFH v. 5.5.1994, VI R 98/93, BStBl II 1994, 806; s. hierzu § 62 FGO Rz. 62; a. A. FG Baden-Württemberg v. 3.5.1994, 11 K 78/90, EFG 1995, 54).

 

Rz. 20

Bei fehlerhafter Bekanntgabe an den Stpfl. selbst ist im Hinblick auf die kraft Gesetzes eintretende Rechtswirkung und, da eine Rechtsbehelfsfrist nicht in Lauf gesetzt wird, § 9 Abs. 2 VwZG nicht anzuwenden[5]. Die fehlerhafte Bekanntgabe wird demgemäß durch den tatsächlichen Zugang des "neuen Verwaltungsakts" bei dem Prozessbevollmächtigten geheilt[6].

 

Rz. 21

Ausreichend ist die einfache Bekanntgabe nach § 122 AO. Eine förmliche Zustellung des "neuen Verwaltungsakts" erfordert auch die Rechtshängigkeit des Klageverfahrens nicht[7].

2.2.2 Rechtsbehelfsbelehrung für den "neuen Verwaltungsakt"

 

Rz. 22

Sobald die Voraussetzungen des § 68 FGO erfüllt sind, hat dies den unmittelbaren Eintritt des "neuen Verwaltungsakts" in das rechtshängige Klageverfahren gegen den "Erstbescheid" zur Folge (s. Rz. 13). Der "neue Verwaltungsakt" verliert kraft Gesetzes seine Einspruchsfähigkeit (s. Rz. 5). Eine Rechtsbehelfsbelehrung, die den Einspruch nach § 347 AO zulässt, ist unrichtig. Ein gleichwohl eingelegter Einspruch ist unzulässig und muss ggf. durch Einspruchsentscheidung[1] verworfen werden[2], wenn der Einspruchsführer auf einer Entscheidung besteht. Eine vorsorgliche Belehrung über die Unzulässigkeit des Einspruchs bei allen "neuen Verwaltungsakten", "falls gegen den Erstbescheid Klage erhoben sein sollte", ist nicht erforderlich[3]. Der Rechtsschutz des Beteiligten ist durch die – möglicherweise fehlerhafte – Rechtsbehelfsbelehrung über den Einspruch[4] gesichert. Die fehlerhafte oder unterbliebene Rechtsbehelfsbelehrung hat keine Auswirkung auf die Einspruchs- oder Klagefrist, soweit diese, weil das Klageverfahren noch nicht anhängig ist zulässig ist (s. Rz. 28; vgl. entspr. FG Hamburg v. 7.4.1999, V 83/97, EFG 1999, 789).

[3] A. A. zur alten Rechtslage FG Berlin v. 25.9.1997, 1492/96, EFG 1998, 220.

2.2.3 Information des Gerichts

 

Rz. 23

Nach § 68 S. 2 FGO (bisher § 77 Abs. 3 FGO a. F.) hat die Finanzbehörde, die den "neuen Verwaltungsakt" erlassen hat, dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist (s. Rz. 28), eine Abschrift des erlassenen Verwaltungsakts zu übersenden. Unmittelbare Rechtsfolgen hat die Verletzung der Informationspflicht nicht, der Finanzbehörde sind allerdings alle hierdurch verursachten Mehrkosten aufzuerlegen.

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