Rz. 9

Nach § 155 FGO i. V. m. mit § 17 Abs. 1 S. 2 GVG bewirkt die Rechtshängigkeit, dass für deren Dauer (s. Rz. 3, 6) die Streitsache (s. Rz. 7) bei keinem anderen Gericht, gleich welcher Gerichtsbarkeit (s. Rz. 4), erneut anhängig gemacht werden kann[1]. Hierdurch sollen unnötige Doppelarbeit und die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen vermieden werden[2]. Dieses Verbot nimmt jedem anderen Gericht die Entscheidungsbefugnis über diese Sache. Das zuerst angerufene Gericht entscheidet verbindlich über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu diesem Gerichtszweig[3] und über die Zuständigkeit, Das später angerufene Gericht muss die Klage bei zweifelsfreier Sachidentität wegen dieses Verfahrenshindernisses als unzulässig abweisen (s. hierzu § 70 FGO Rz. 3b).

Die Klagesperre nach § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG ist eine negative Sachentscheidungsvoraussetzung, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung entfallen sein muss[4].

 

Rz. 9a

Diese Klagesperre besteht aber nur für die "zweite Klage". Durch eine weitere Klage wird die verfahrensrechtliche Rechtslage der zeitlich "ersten Klage" nicht berührt (BFH v. 28.2.1978, VIII R 112/75, BStBl II 1978, 376 für den Eingang der weiteren Klage vor Übersendung der bei der Finanzbehörde angebrachten Klage; s. Rz. 3). Für die Sperrwirkung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG ist es demgemäß unerheblich, ob die "erste Klage" zulässig ist oder nicht (Stöcker, in Beermann/Gosch, AO, § 66 FGO Rz. 17; FG Düsseldorf v. 14.1.1983, VI 554/82 A (G), EFG 1983, 418, 419; Schleswig-Holsteinisches FG v. 18.12.1996, II 997/96, EFG 1997, 548, 549).

Die Klagesperre bewirkt, dass die "zweite Klage" mit denselben Beteiligten und demselben Gegenstand des Klagebegehrens (s. Rz. 7) regelmäßig durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen ist[5].

 

Rz. 9b

Die während der Rechtshängigkeit der zeitlich "ersten Klage" erhobene "zweite Klage" wird jedoch zulässig, wenn die Rücknahme der "ersten Klage" erfolgt. Hierdurch wächst die "zweite Klage" in die Zulässigkeit hinein, wenn die übrigen Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen (s. § 72 FGO Rz. 9; BFH v. 20.10.1997, V B 80/97, BFH/NV 1998, 592; BFH v. 23.11.1999, VII B 186/99, BFH/NV 2000, 476; BFH v. 27.9.2001, V R 37/01, BFH/NV 2002, 378; BFH v. 26.5.2006, IV B 151/04, BFH/NV 2006, 2086; FG Düsseldorf v. 29.11.2000, 17 K 1537/98 E, DStRE 2001, 611; so auch Niedersächsisches FG v. 19.10.1995, II 425/95, Haufe-Index 1092508; Niedersächsisches FG v. 19.10.1995, II 27/95, Haufe-Index 1366336; Schallmoser, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 66 FGO Rz. 31; Stöcker, in Beermann/Gosch, AO, § 66 FGO Rz. 19.1; Brandis, in Tipke/Kruse, AO, § 66 FGO Rz. 3; a. A. Schleswig-Holsteinisches FG v. 18.12.1996, II 797/96, EFG 1997, 548).

 

Rz. 9c

Ein die "zweite Klage" zurückweisendes Prozessurteil (s. Rz. 9a) ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn beide Klagen bei demselben Senat des FG erhoben worden sind. Die Sperrwirkung durch die bereits eingetretene Rechtshängigkeit hat das FG durch Verbindung der beiden Sachen nach § 73 Abs. 1 FGO zu beseitigen, sofern der Käger nicht auf zwei Entscheidungen besteht (BFH v. 26.5.2006 – IV B 151/04, BFH/NV 2006, 2086; FG München v. 18.12.2006, 13 K 1042/04, Haufe-Index 1711623; Schallmoser, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 66 FGO Rz. 31; Stöcker, in Beermann/Gosch, AO, § 66 FGO Rz. 19.5; a. A. Bartone, in Kühn/v.Wedelstädt, AO, 19. Aufl. 2008, § 66 FGO Rz. 3).

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