7.1 Allgemeines

 

Rz. 100

§ 62 Abs. 4 FGO ersetzt den außer Kraft getretenen § 62a FGO a. F., der wiederum seine Grundlage im früheren Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG hatte. Der hier angeordnete Vertretungszwang soll die Überlastung des BFH insoweit verhindern, als sie darauf zurückzuführen ist, dass die Beteiligten nach ihrer Vorbildung häufig nicht in der Lage sind, die Aussichten eines Rechtsbehelfs richtig einzuschätzen und das Verfahren vor dem BFH sachgerecht zu führen[1]. Der Vertretungszwang dient primär der Sicherung der sachgerechten Verfahrensdurchführung (Rz. 5).

 

Rz. 101

Die Regelung ist zwingend. Auf den Vertretungszwang kann auch im Einzelfall, etwa bei Vorliegen besonderer Umstände, nicht verzichtet werden[2]. In der Rechtsbehelfsbelehrung ist über den Vertretungszwang zu belehren (§ 55 FGO Rz. 20).

 

Rz. 102

Die gesetzliche Regelung des Vertretungszwangs ist verfassungsgemäß[3].

7.2 Beteiligte

 

Rz. 103

Der Vertretungszwang gilt grundsätzlich für alle Beteiligten[1] des Verfahrens, auch für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse, die sich allerdings nach § 62 Abs. 4 S. 4 FGO eines "Behördenvertreters" bedienen können (Rz. 119).

Er besteht nach § 62 Abs. 4 S. 4 FGO jedoch nicht für einen Beteiligten, der selbst zum Kreis der Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe gehört und damit die Vertretungsfähigkeit vor dem BFH besitzt (Rz. 43). Dieser kann sich vor dem BFH entsprechend § 78 Abs. 4 ZPO selbst vertreten, nicht nur in eigener Sache, sondern auch dann, wenn er als Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker, Zwangsverwalter oder Liquidator kraft Amtes handelt[2]. Diese Ausnahme setzt allerdings eine wirksame Zulassung oder Bestellung (Rz. 44, 45) voraus[3].

7.3 Bevollmächtigtenbestellung

7.3.1 Grundlage

 

Rz. 104

Für das Verfahren vor dem BFH hat die Bestellung eines Bevollmächtigten (Rz. 2, 29) zu erfolgen. Hierfür gelten, abgesehen von dem durch den Vertretungszwang ausgeschlossenen Wahlrecht (Rz. 8), keine Besonderheiten.

 

Rz. 105

Durch die Beschränkung der Vertretungsfähigkeit vor dem BFH (Rz. 111) ist dieser der grundsätzlichen Verpflichtung enthoben, die Rechtswirksamkeit der Vollmachtserteilung und das aktuelle Bestehen der Vertretungsbefugnis von Amts wegen zu beachten (Rz. 62). Im Verfahren vor dem BFH gilt die Ausnahmeregelung des § 62 Abs. 6 S. 4 FGO[1]. Regelmäßig wird demgemäß der Nachweis der Vollmacht nicht erforderlich sein. Im Übrigen ist die Vorlage einer Vollmacht beim BFH für die Einlegung eines Rechtsmittels auch dann nicht erforderlich, wenn die dem FG vorgelegte Urkunde (Rz. 63) die Vertretungsbefugnis nicht nur auf das Verfahren vor dem FG beschränkt[2], sondern sich aus ihr auch die Befugnis zur Rechtsmitteleinlegung ergibt[3].

 

Rz. 106

Für die Rechtsstellung des Beteiligten ergibt sich gegenüber dem finanzgerichtlichen Verfahren (Rz. 14) die Besonderheit, dass der Beteiligte die Postulationsfähigkeit verliert (Rz. 123). Er kann damit Prozesshandlungen des Bevollmächtigten nicht widerrufen. Erklärungen tatsächlichen Inhalts kann der zu einer Verhandlung miterschienene Beteiligte sofort widerrufen oder berichtigen[4]. In diesem Fall gilt der Vortrag des Beteiligten selbst im Verfahren vor dem BFH.

 

Rz. 107

Für den Umfang der Vertretungsbefugnis (Rz. 49) gilt § 155 FGO i. V. m. § 83 Abs. 1 ZPO. Hiernach kann die Prozessvollmacht aus Gründen der Rechtssicherheit nur insoweit eingeschränkt werden, als die Beschränkung die Beseitigung des Rechtsstreits durch tatsächliche Verständigung, Verzichtsleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des vom Gegner geltend gemachten Anspruchs betrifft. Die Einschränkung ist nur wirksam, wenn sie dem Gericht und den anderen Beteiligten gegenüber eindeutig erfolgt ist (Rz. 52). Andere Einschränkungen sind zwingend unzulässig, selbst wenn das Gericht oder die übrigen Beteiligten eine im Innenverhältnis vorgenommene Beschränkung kennen sollten[5].

 

Rz. 108

Ein Widerruf der Prozessvollmacht (Rz. 57) wird infolge des Vertretungszwangs erst mit der Bestellung eines anderen postulationsfähig...

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