Rz. 19

Nachdem ein Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen ist, kann dieser die Sache nur unter den engen Voraussetzungen von § 6 Abs. 3 FGO auf den Senat zurückübertragen. Grundsätzlich ist die Rückübertragung unzulässig. Eine Rückübertragung durch den Einzelrichter ist möglich, wenn zunächst nach der Übertragung auf den Einzelrichter eine wesentliche Änderung der Prozesslage eingetreten ist. Dazu müssen neue äußere Umstände eintreten, etwa das Auftauchen neuer Beweismittel, überraschender neuer Sachvortrag, Beiladungsanträge, geänderte Klageanträge, das Entstehen eines Zwischenstreits, nachträgliche Rechtsänderungen (auch geänderte Rspr. des BVerfG) usw.[1] Eine bloß geänderte rechtliche Beurteilung ist nur ausreichend, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 FGO nunmehr vorliegen.[2]

 

Rz. 20

Vorlagebeschlüsse an das BVerfG gem. § 100 GG kann nie der Einzelrichter, sondern immer nur der Vollsenat treffen; dasselbe gilt für Vorlageersuchen an den EuGH.[3]

 

Rz. 21

Weiterhin ist Voraussetzung für eine Rückübertragung, dass wegen der geänderten Prozesslage nunmehr eine tatsächlich oder rechtlich schwierige oder eine Sache von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist, wobei das Vorliegen einer Alternative ausreicht. Schließlich muss der Einzelrichter die Beteiligten zur Frage der Rückübertragung angehört haben. Sind all diese Voraussetzungen erfüllt, muss der Einzelrichter nicht zurückübertragen, sondern die Entscheidung steht in seinem Ermessen, wobei er wiederum Sinn und Zweck der Regelung des § 6 FGO zu beachten hat.

 

Rz. 22

Denkbar sind Fälle der Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf eine Rückübertragung. Bei einer Divergenz zwischen Einzelrichter und Senatsmehrheit in entscheidungserheblichen rechtlichen Grundsatzfragen muss eine Rückübertragung auf den Senat erfolgen, um eine Zersplitterung der Rechtsprechung zu vermeiden.[4] Eine vorherige Rücksprache mit den nach Rückübertragung für die Entscheidung zuständigen Senatsmitgliedern ist dabei erforderlich, um die Geschäftslage des Gesamtsenats einschätzen zu können. Der Einzelrichter kann daher auch nach einer wesentlichen Änderung der Prozesslage eine besonders schwierige oder eine Sache grundsätzlicher Bedeutung entscheiden, wenn die Rückübertragung auf den Senat unzweckmäßig erscheint.[5] Hat der Einzelrichter die Sache zur Entscheidung auf den Senat zurückübertragen, ist eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter, auch wenn die Rückübertragung gegen den Willen der übrigen Senatsmitglieder erfolgte, ausgeschlossen.[6] Wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung vom Revisionsgericht an das FG zurückverwiesen, gelangt er an den dann zuständigen Senat, ist eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter nach § 6 Abs. 3 S. 2 FGO im Hinblick auf die Einheitlichkeit des Verfahrens in beiden Rechtsgängen ausgeschlossen.[7]

[1] S. auch die Beispiele bei Müller-Horn, in Gosch, AO/FGO, § 6 FGO Rz. 79 f.; Sunder-Plassmann, in HHSp, AO/FGO, § 6 FGO Rz. 78.
[2] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 6 FGO Rz. 21.
[4] Seer, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 22.67; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 6 FGO Rz. 21.
[5] Müller-Horn, in Gosch, AO/FGO, § 6 FGO Rz. 90.
[7] Müller-Horn, in Gosch, AO/FGO, § 6 FGO Rz. 95; s. auch Rz. 22; a. A. Rößler, DStZ 1993, 97.

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