Rz. 11

Der Betroffene muss am Einhalten der gesetzlichen Frist gehindert gewesen sein. Dabei kommt jede Art des Hindernisses in Betracht, neben einem physischen Hindernis also auch ein psychisches Hindernis. Körperliche Hindernisse können z. B. Krankheiten, Abwesenheit und die Unmöglichkeit des Gelangens zum Ort der zu erbringenden Handlung, psychische Hindernisse können Irrtümer, Unkenntnis der einschlägigen Vorschriften oder auch Versehen sein. Eine psychische Krankheit kann nur dann als entschuldbares Hindernis angesehen werden, wenn sie so schwer war, dass der Beteiligte außerstande war, einen Bevollmächtigten zu informieren und mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen[1].

 

Rz. 12

Das Hindernis muss ursächlich für die Fristversäumung gewesen sein, sich unmittelbar auf die Einhaltung der Frist bezogen haben, ihrer Einhaltung also entgegengestanden haben. Bei einem psychischen Hindernis in der Form eines Irrtums muss dieser sich auf die Frist selbst oder auf die Fristwahrung bezogen haben[2]. Eine bloß materiell-rechtliche Fehleinschätzung der Erfolgsaussichten reicht nicht (vgl. Rz. 20r). Gerade deswegen gewinnt das Hindernis nur bei gleichzeitigem Betrachten des Verschuldens bzw. seines Fehlens Gestalt. In der Praxis tritt dadurch die Untersuchung des – i. d. R. gegebenen – Hindernisses gegenüber der Frage des Verschuldens meist in den Hindergrund. Lässt sich die Ursächlichkeit des Hindernisses für die Fristversäumung nicht feststellen, so soll im Zweifel zugunsten des Betroffenen entschieden werden[3].

 

Rz. 12a

Ein Hindernis ist begrifflich nur gegeben, wenn es die Fristeinhaltung vollständig verhindert. Kann die fristwahrende Handlung auf mehreren unterschiedlichen Wegen geschehen, kann also bei einem Defekt des Druckers am PC noch ein anderer Weg für die Fristwahrung genutzt (z. B. Fax-Schreiben) oder die fristwahrende Handlung durch Inhaltsänderung (gekürztes handschriftliches Schreiben) rechtzeitig angebracht werden[4], so müssen für ein Hindernis zur Begründung einer Wiedereinsetzung alle möglichen Wege blockiert gewesen sein[5]. Kann etwa die Frist weder durch Einwerfen des Schriftstücks beim Adressaten noch durch Briefübermittlung eingehalten werden, so ist der Beteiligte beim Bestehen der Fristwahrungsmöglichkeit durch Telefax oder Telegramm nicht an der Fristwahrung gehindert. In diesen Fällen wird allerdings meist – wenigstens bei rechtlich nicht erfahrenen Personen – ein psychisches Hindernis (Unkenntnis) bestehen. Es ist nicht allgemein bekannt, dass man notfalls eine andere Übermittlungsart wählen muss. Hat sich der Beteiligte, der mehrere Möglichkeiten kennt, für eine von ihnen zur Fristwahrung entschieden und wird dieser Weg so spät unmöglich, dass ein anderer nicht mehr zur Verfügung steht (z. B. Defekt des Faxgeräts kurz vor Fristablauf), so ist kein Fall mit mehreren Wegen mehr gegeben. Keinesfalls kann eine Wiedereinsetzung ausschließlich mit dem Vortrag begründet werden, es hätten Probleme mit der EDV-Anlage und den IT-basierten Telekommunikationseinrichtungen bestanden[6]. Die Auswirkungen der Probleme insbesondere auf andere Wege zur Fristwahrung müssten konkret und subs­tantiiert vorgetragen und glaubhaft gemacht werden (BFH v. 1.12.2009, a. a. O.).

 

Rz. 13

Beim Wegfall des Hindernisses muss die Frist bereits abgelaufen gewesen sein, oder der Betroffene konnte, wenn das Hindernis unmittelbar vor Fristablauf weggefallen war, die Frist nicht mehr einhalten. Eine angemessene Zeit zum Überlegen, etwa im Umfang der Wiedereinsetzungsfrist von 2 Wochen oder nach Art einer Fristhemmung, scheidet aus. Der Betroffene muss unverzüglich nach dem Wegfall des Hindernisses die Rechtshandlung vornehmen, sofern die Frist noch läuft[7]. Wird der Betroffene vom Gericht auf den verspäteten Eingang hingewiesen, so ist spätestens in diesem Augenblick das Hindernis entfallen[8].

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