3.1 Entscheidungen oberster Finanzbehörden (Abs. 2 S. 1 1. Alt.)

 

Rz. 9

Richtet sich die Klage gegen eine oberste Finanzbehörde (Rz. 10), ist gem. § 38 Abs. 2 S. 1 1. Alt. FGO das FG zuständig, in dessen Gerichtsbezirk der Kläger seinen Wohnsitz[1], hilfsweise seine Geschäftsleitung[2] oder letztlich seinen gewöhnlichen Aufenthalt[3] hat. Hat der Kläger mehrere Wohnsitze im (Verwaltungs-)Bezirk der obersten Finanzbehörde, die in verschiedenen FG-Bezirken liegen, sind die Rechtsfolgen bisher ungeklärt. Nach einer Auffassung hat er ein Wahlrecht, welches FG er anruft.[4] Die grundsätzlich vorzugswürdigere Gegenauffassung stellt auf den Lebensmittelpunkt des Klägers ab, da sie dem Grundgedanken des § 38 Abs. 2 FGO nach bürgernahem Rechtsschutz entspricht.[5]

Hat der Kläger im (Verwaltungs-)Bezirk der verklagten obersten Finanzbehörde weder Wohnsitz, Geschäftsleitung noch gewöhnlichen Aufenthalt, befindet sich der Kläger also im Ausland oder in einem anderen Bundesland, kommt nach § 38 Abs. 2 S. 2 FGO wieder die Grundsatzregelung des § 38 Abs. 1 FGO zur Anwendung.

 

Rz. 10

Oberste Finanzbehörden sind nur das Bundesministerium der Finanzen[6] und die Landesfinanzministerien.[7]

[4] Gräber/Herbert, FGO, 9. Aufl. 2019, § 38 Rz. 12.
[5] So auch Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 38 FGO Rz. 2; v. Beckerath, in Gosch, AO/FGO, § 38 FGO Rz. 14; Steinhauff, in HHSp, AO/FGO, § 38 FGO Rz. 30.

3.2 Zölle, Verbrauchsteuern, Monopolabgaben (Abs. 2 S. 1 2. Alt.)

 

Rz. 11

Für Streitigkeiten über Zölle, Verbrauchsteuern und Monopolabgaben ist das FG örtlich zuständig, in dessen Gerichtsbezirk (Rz. 5) ein Tatbestand verwirklicht wurde, an den das jeweilige Gesetz die Abgabe knüpft; z. B. die Abfertigung einer aus dem Drittland eingeführten Ware zum freien Verkehr. Soweit der Rechtsstreit aber nicht eine Abgabenschuld betrifft, soll die Grundsatzregelung des § 38 Abs. 1 FGO anzuwenden sein.[1] Nach überwiegender Auffassung soll die besondere Zuständigkeitsregelung für Zoll, Verbrauchsteuer und Monopolabgabenangelegenheiten nur bei Verfahren gegen eine oberste Finanzbehörde gelten.[2] Hiernach dürfte die Regelung aber ohne realen Anwendungsbereich sein, da oberste Finanzbehörden im Regelfall weder Abgabenschulden festsetzen noch erheben.[3]

Auch wenn die systematische Stellung auf eine entsprechende behördenbezogene Einschränkung auf oberste Finanzbehörden hindeutet, erscheint wegen der insoweit maßgeblichen Nähe durch die Anknüpfung an den Ort der Verwirklichung des steuerbegründenden Tatbestands eine allgemeine Anwendung von § 38 Abs. 2 S. 1 2. Alt FGO für sämtliche Streitigkeiten über Zölle, Verbrauchsteuern und Monopolabgaben überlegenswert.

[1] Steinhauff, in HHSp, AO/FGO, § 38 FGO Rz. 36; v. Beckerath, in Gosch, AO/FGO, § 38 FGO Rz. 15.
[2] Gräber/Herbert, FGO, 9. Aufl. 2019, § 38 Rz. 13; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 38 FGO Rz. 3.
[3] So auch Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 38 FGO Rz. 3.

3.3 Kindergeldfälle (Abs. 2a)

 

Rz. 12

Nach § 38 Abs. 2a S. 1 FGO ist in Angelegenheiten des Familienleistungsausgleichs nach Maßgabe der §§ 62 bis 78 EStG (Kindergeld) das FG örtlich zuständig, in dessen (Gerichts-)Bezirk der Kläger im Zeitpunkt der Klageerhebung seinen Wohnsitz oder hilfsweise seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Wohnsitzprinzip). Eine plausible Wohnsitzangabe des Klägers ist vor dem Hintergrund der durch den Gesetzgeber beabsichtigten Gewährung bürgerfreundlichen und ortsnahen Rechtsschutzes ausreichend.[1] Nicht erforderlich ist daher, dass der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt nachgewiesen wird.[2] Nach dem Grundsatz der perpetuatio fori nach § 17 Abs. 1 S. 1 GVG hat ein sachlich unzuständiges Gericht den Rechtsstreit in den Kindergeldfällen des § 38 Abs. 2a FGO an das FG zu verweisen, das im Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem unzuständigen Gericht örtlich zuständig war und nicht das FG, das aufgrund eines Umzugs des Klägers nach Klageerhebung entsprechend § 38 Abs. 2a FGO nunmehr zuständig geworden wäre.[3] Hat der Kläger im Inland weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt, findet nach § 38 Abs. 2a S. 2 FGO wieder die Grundsatzregelung des § 38 Abs. 1 FGO Anwendung (Sitz der verklagten Familienkasse).

 

Rz. 12a

Die Sonderregelung des § 38 Abs. 2a FGO wurde durch das Gesetz zur Einführung von Kostenhilfe für Drittbetroffene in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sowie zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 20.4.2013[4] in den § 38 FGO eingefügt. Hierdurch reagierte der Gesetzgeber auf die Umstrukturierung der Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit, durch die die Zahl der Familienkassen erheblich reduziert wurde. Durch das Abstellen auf den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers und nicht wie bisher auf den Sitz der Beklagten, also den Familienkassen, sollten Belastungsverschiebungen bei den FG und lange Anfahrtswege der rechtsuchenden Bürger vermieden werden.[5] Der mit der Einführung der Vorschrift verfolgte Sinn und Zweck, den gerichtlichen Rechtsschutz bürgernah und effektiv zu gewährleisten und Belastungsverschiebu...

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