3.1 Bestand der finanzgerichtlichen Entscheidung (Satz 1)

 

Rz. 15

Nach § 157 Satz 1 FGO bleibt die Entscheidung des FG oder des BFH, die auf der für nichtig erklärten Norm beruht, unberührt. Sie werden also nicht gegenstandslos, ihre Wirkungen bleiben bestehen. Die Nichtigerklärung der zugrunde liegenden Vorschrift ist auch kein Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 134 FGO.[1] Allerdings schließt § 157 FGO eine Wiederaufnahme nicht aus, wenn – unabhängig von der Nichtigkeitsfeststellung bzw. -erklärung durch das Landesverfassungsgericht – ein Grund vorliegt, der nach § 134 FGO zur Wiederaufnahme des Verfahrens berechtigt.[2]

 

Rz. 16

Der Bestand der finanzgerichtlichen Entscheidung gilt aber nur vorbehaltlich einer besonderen gesetzlichen Regelung durch das Land. Das jeweilige Landesrecht kann also eine von § 157 Satz 1 FGO abweichende Regelung vorsehen. So kann etwa der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz nach § 26 Abs. 4 VerfGHG RP die Wiederaufnahme bereits rechtskräftig abgeschlossener Verfahren bestimmen, soweit eine dort erlassene Entscheidung zu seinem Urteil in Widerspruch steht.[3]

Rz. 17–19 einstweilen frei

[1] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 157 FGO Rz. 2; Schwarz, in HHSp, AO/FGO, § 157 FGO Rz. 1; Wendl, in Gosch, AO/FGO, § 157 FGO Rz. 8.
[2] Eyermann/Kraft, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 183 VwGO Rz. 5.
[3] S. weiterführend die Übersicht bei Pietzner, in Schoch/Schneider, VwGO, § 183 VwGO.

3.2 Vollstreckungsverbot und Vollstreckungsabwehrklage (Satz 2 und 3)

 

Rz. 20

Die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung ist unzulässig. Laufende Vollstreckungshandlungen sind also einzustellen, neue dürfen nicht begonnen werden. War die finanzgerichtliche Entscheidung aber schon vor der Nichtigkeitserklärung oder -feststellung durch das Landesverfassungsgericht vollzogen, "hat es dabei sein Bewenden"[1], d. h. die Vollstreckungsmaßnahme bleibt bestehen.

 

Rz. 21

Unter Vollstreckung sind nicht nur die Betreibungsmaßnahmen i. S. d. sechsten Teils der AO zu verstehen, sondern alle Maßnahmen, die der Befriedigung des Steuergläubigers dienen, etwa eine Aufrechnung.[2] Das Vollstreckungsverbot gilt auch für Kostenentscheidungen, die in einem Verfahren ergangen sind, das die für nichtig erklärte Vorschrift zum Gegenstand hatte.[3] Da § 157 Satz 2 FGO die Vollstreckung für unzulässig erklärt, ist die Vollstreckungssperre von Amts wegen zu beachten.[4]

 

Rz. 22

Nach § 157 Satz 3 FGO gilt § 767 ZPO sinngemäß. Der Vollstreckungsschuldner hat damit die Möglichkeit, eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO zu erheben, wenn das von § 157 Satz 2 FGO angeordnete Vollstreckungsverbot nicht beachtet wird.

Da die Vollstreckung an sich bereits kraft Gesetzes unzulässig ist, handelt es sich um eine Feststellungsklage, die begründet ist, wenn die finanzgerichtliche Entscheidung auf dem für nichtig erklärten Gesetz beruht.[5]

Zuständig ist das FG als "Prozessgericht des ersten Rechtszuges".[6]

[3] Schwarz, in HHSp, AO/FGO, § 157 FGO Rz. 3.
[4] BFH v. 18.10.1994, VII R 20/94, BFHE 175, 519, BStBl II 1995, 42, zu § 79 Abs. 2 BVerfGG; Wendl, in Gosch, AO/FGO, § 157 FGO Rz. 10; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 157 FGO Rz. 2; Pietzner, in Schoch/Schneider, VwGO § 183 VwGO Rz. 39.
[5] Wendl, in Gosch, AO/FGO, § 157 FGO Rz. 10; Schwarz in HHSp, AO/FGO, § 157 FGO Rz. 4; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 157 FGO Rz. 2.
[6] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 157 FGO Rz. 2; Bartone, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 157 FGO Rz. 2.

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