Rz. 40

Rügt der Revisionskläger mit der Revisionsbegründung Verfahrensmängel (Verstoß gegen Prozessrecht), reicht die bloße Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm bzw. die Angabe der Umstände der Rechtsverletzung (Abs. 3 Nr. 2a) nicht aus. Nach Abs. 3 Nr. 2b müssen darüber hinaus die Tatsachen angegeben werden, die den Verfahrensmangel ergeben, um dem BFH die Prüfung des Sachverhalts zu erleichtern, aus dem sich der Verfahrensmangel ergeben soll.[1] Zum Begriff des Verfahrensmangels s. § 115 FGO Rz. 46. Es ist somit keinesfalls ausreichend, sich für die Rüge mit der pauschalen formelhaften Behauptung, das FG sei verfahrensfehlerhaft, zu begnügen.

Das Rügeerfordernis gilt allerdings nicht für Verfahrensmängel, die mit Umständen zusammenhängen, die der BFH vom Amts wegen zu prüfen hat, wie die Sachentscheidungsvoraussetzungen des finanzgerichtlichen Verfahrens oder Verstöße gegen die Grundordnung des Verfahrens.[2] Hier ist eine Verfahrensrüge mit Angabe der Tatsachen nicht erforderlich, aber gleichwohl zweckmäßig.[3]

Die Verfahrensrügen müssen innerhalb der Revisionsbegründungsfrist vorgetragen werden. Nur die fristgerecht unter Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm und unter Angabe der erheblichen Tatsachen gerügten Mängel können vom BFH geprüft werden.[4] Dies gilt nicht für die ausnahmsweise von Amts wegen, d. h. unabhängig von einer Rüge, zu berücksichtigenden Verfahrensmängel (z. B. Sachentscheidungsvoraussetzungen der Klage). Gleichwohl sind auch nach Fristablauf Ausführungen dazu zweckmäßig.

Wegen einer verspäteten Verfahrensrüge kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden, wenn die Revisionsfrist im Übrigen eingehalten wurde und die Verfahrensrüge nachgeschoben wird.[5]

 

Rz. 41

Die Verfahrensrüge muss schlüssig (logisch folgerichtig) sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Revisionskläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich, ihr Vorhandensein unterstellt, der behauptete Verfahrensmangel tatsächlich ergibt, und ferner darlegt, dass die angefochtene Entscheidung, ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG, auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann bzw. ohne den Verfahrensmangel (möglicherweise) anders ausgefallen wäre; d. h., es ist darzulegen, aus welchen Gründen der Verfahrensmangel entscheidungserheblich ist.[6] Daher erfordert z. B. eine schlüssige Rüge des Übergehens eines Beweisantrags die genaue Bezeichnung der ermittlungsbedürftigen Tatsachen (Beweisthemen) sowie die substanziierte Darlegung, inwiefern das Urteil des FG – ausgehend von dessen materiell-rechtlicher Auffassung – auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen könne und was das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre.[7] Die bloße Behauptung oder die Darstellung der Möglichkeit bzw. der Wahrscheinlichkeit oder des Verdachts eines Mangels reichen nicht aus. Z. B. ist die Rüge des Übergehens gestellter Beweisanträge (Rz. 48) deshalb bereits nicht schlüssig, wenn der Kläger seine schriftlich gestellten Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich (durch Bezugnahme) wiederholt und dadurch zu erkennen gegeben hat, dass er sie nicht mehr aufrechterhält. Es gelten die gleichen Grundsätze wie für die Darlegung eines Verfahrensmangels nach § 116 Abs. 3 S. 3 FGO.[8]

Ist die Verfahrensrüge nicht schlüssig, ist sie bereits unzulässig.[9] Ob der Verfahrensmangel tatsächlich vorliegt, wird vom BFH im Rahmen der Begründetheit der Revision geprüft.

 

Rz. 42

Bei der Rüge eines Verfahrensmangels i. S. v. § 119 FGO (absolute Revisionsgründe) sind Angaben über die Ursächlichkeit des Verfahrensmangels für die Entscheidung des FG grundsätzlich entbehrlich, weil unwiderleglich vermutet wird, dass das FG-Urteil auf diesem Mangel beruht und das FG-Urteil ohne Rücksicht darauf, ob die Kausalität tatsächlich gegeben ist, aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen ist.[10]

Für die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 119 Nr. 3 FGO gelten Ausnahmen, wenn die Gehörsverletzung nur einzelne Feststellungen betrifft. Der Revisionskläger hat dann substanziiert darzulegen, was er bei aus seiner Sicht ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch zusätzlich vorgetragen hätte und dass bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG eine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre.[11]

 

Rz. 43

Rügt der Revisionskläger den Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift, auf deren Befolgung verzichtet werden kann[12], muss auch vorgetragen werden, dass der Verfahrensverstoß im Verfahren vor dem FG gerügt worden ist, bzw. aus welchen besonderen Gründen eine solche Rüge aufgrund des Verhaltens des FG ausnahmsweise – z. B. wegen einer unzulässigen Einschüchterung durch den Vorsitzenden oder mangels Erkennbarkeit der Verfahrensverletzung – nicht möglich war[13], es sei denn, der Verstoß ergibt sich bereits aus dem angefochtenen Urteil oder aus dem Sitzungsprotokoll.[14] Denn bei einem verzichtbaren Verfahrensfehler geht das Rüg...

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