Rz. 24

Neben der Rechtswidrigkeit ist erforderlich, dass der Kläger gerade durch sie in seinen Rechten verletzt wird. Die Rechtsverletzung ist nur zu prüfen, wenn eine Rechtswidrigkeit nicht offensichtlich ausscheidet (s. Rz. 18). Denn ein rechtmäßiger Verwaltungsakt kann niemals jemanden in seinen Rechten verletzen. Jedoch ist die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nicht entscheidungserheblich, wenn der Kläger durch den als rechtswidrig unterstellten Verwaltungsakt in keiner Weise in seinen Rechten verletzt sein kann.

 

Rz. 25

Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts muss gerade den Kläger, nicht nur die Allgemeinheit oder irgendeinen Dritten in seinen Rechten verletzen. Darin zeigt sich, dass das finanzgerichtliche Verfahren in erster Linie dem Individualrechtsschutz dient und nicht einer allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle der Verwaltung[1]. Eine allein im Interesse der Allgemeinheit erhobene Popularklage kann auch bei Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nur Erfolg haben, wenn der konkrete Kläger durch die Rechtswidrigkeit in seinen Rechten verletzt ist. Dabei kommt es auf den Tenor des Verwaltungsakts an[2]. Regelmäßig greift ein Verwaltungsakt nur in die Rechte dessen ein, an den er gerichtet ist, den (Inhalts-)Adressaten. Daher braucht in Fällen, in denen der Kläger der Adressat des rechtswidrigen Verwaltungsakts ist, dessen Rechtsverletzung grundsätzlich nicht gesondert geprüft zu werden. Zu den Besonderheiten bei rechtswidriger Begünstigung des Adressaten s. Rz. 27. Einen Sonderfall stellt eine Steuerfestsetzung auf Null dar. Regelmäßig kann im Bereich der Ertragsteuern ein Nullbescheid, der keine Zahlungspflicht auslöst, den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Dies kann allenfalls in Ausnahmefällen vorliegen[3]. Ist beispielsweise die Frage der Steuerpflicht als solche im Streit, verletzt auch eine Steuerfestsetzung auf 0 EUR, mit der gleichzeitig rechtswidrig über die Steuerpflicht dem Grunde nach entschieden worden ist, den Kläger in seinen Rechten[4].

 

Rz. 26

Nur ausnahmsweise werden auch Dritte, die nicht Adressaten des rechtswidrigen Verwaltungsakts sind, durch die Rechtswidrigkeit in eigenen Rechten verletzt und können somit erfolgreich klagen. Dazu können Gesellschafter oder Gemeinschafter in Feststellungsverfahren gehören[5] sowie Rechtsnachfolger des Adressaten. Wegen der Besonderheiten für Rechtsnachfolger bei sog. dinglichen Verwaltungsakten ist § 353 AO zu beachten. In allen Fällen ist zu prüfen, ob der angefochtene rechtswidrige, an einen anderen als den Kläger gerichtete Verwaltungsakt in die eigene steuerliche Rechtssphäre des Klägers eingreift[6]. Das ist insbesondere bei Klagen von Konkurrenten gegen Dritte begünstigenden Verwaltungsakten fraglich (s. Rz. 29).

[1] Lange, in HHSp, AO/FGO, § 100 FGO Rz. 41 m. w. N.
[3] Dumke, in Schwarz, FGO, § 40 FGO Rz. 53aff.
[5] Vgl. § 48 FGO.
[6] S. hierzu die Beispiele bei Dumke, in Schwarz, FGO, § 40 Rz. 42ff.

1.5.1 Rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt

 

Rz. 27

Wirkt sich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts zugunsten des Klägers aus, wird er dadurch nicht in seinen Rechten verletzt. Das ist z. B. der Fall, wenn für den Kläger eine Steuer rechtswidrig zu niedrig festgesetzt wurde. Der rechtswidrige Steuerbescheid kann dann regelmäßig nicht gem. § 100 Abs. 1 oder 2 FGO aufgehoben oder geändert werden, da der Kläger durch die ihn rechtswidrig begünstigende Steuerfestsetzung grundsätzlich nicht in seinen Rechten verletzt ist (zu den Ausnahmen s. Rz. 28). Die Klage ist abzuweisen, weil der Kläger, obwohl der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, durch ihn nicht in seinen Rechten verletzt wird. Eine Heraufsetzung der Steuer im Urteil würde auch gegen das aus Art. 19 Abs. 4 GG hergeleitete Verbot der Verböserung im gerichtlichen Verfahren (reformatio in peius) verstoßen[1]. Die Saldierung von zu Unrecht angesetzten mit zu Unrecht nicht angesetzten Besteuerungsgrundlagen kann dazu führen, dass der Verwaltungsakt im Ergebnis rechtmäßig oder rechtswidrig ist (s. Rz. 20). Führt die Saldierung zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts zugunsten des Klägers, ist er, obwohl seine Behauptung von zu Unrecht angesetzten Besteuerungsgrundlagen zutrifft, nicht in seinen Rechten verletzt. Die Klage ist abzuweisen. Es ist in einem solchen Fall jedoch zu prüfen, ob gem. § 137 FGO dem Beklagten Kosten aufzuerlegen sind, obwohl dieser obsiegt.

 

Rz. 28

Ausnahmsweise kann eine rechtswidrig zu niedrig oder auf Null festgesetzte Steuer den Kläger in seinen Rechten verletzen, wenn ihm dadurch in anderen Bereichen oder in anderen Besteuerungsabschnitten Nachteile entstehen. Das kann der Fall sein, wenn Entscheidungen anderer Behörden an den Ansatz bestimmter Besteuerungsgrundlagen gebunden sind oder die Nachteile wegen des Bilanzzusammenhangs in anderen Jahren überwiegen[2].

 

Rz. 29

Klagt ein Konkurrent gegen einen Verw...

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