Rz. 13

§ 178 ZPO regelt, wem das zuzustellende Schriftstück ausgehändigt werden kann, wenn der Empfänger in der Wohnung, seinen Geschäftsräumen bzw. einer Gemeinschaftseinrichtung nicht angetroffen wird. In diesen Fällen kann die Zustellung dadurch erfolgen, dass das zuzustellende Schriftstück einer anderen Person (Ersatzperson für den Zustellungsempfänger) übergeben wird (Ersatzzustellung). Eine derartige Ersatzzustellung darf von dem Stpfl. aber nicht auf treuwidrige Art und Weise erzwungen werden.[1]

Als Ersatzpersonen sind nur bestimmte, in § 178 Abs. 1 ZPO genau bezeichnete Personen geeignet. Außerdem sind die genannten Personen als Ersatzpersonen nur geeignet, wenn die Übergabe an sie in den in § 178 Abs. 1 ZPO genannten Räumen erfolgt. An die in der Vorschrift genannten Ersatzpersonen darf das Schriftstück nicht an einem anderen Ort ausgehändigt werden.

 

Rz. 14

Soll die Zustellung in der Wohnung des Zustellungsempfängers erfolgen, und wird er in der Wohnung nicht angetroffen, sind Ersatzpersonen ein erwachsener Familienangehöriger, eine in der Familie beschäftigte Person oder ein erwachsener ständiger Mitbewohner.

Zum Begriff der Wohnung vgl. Kratzsch, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 8 AO Rz. 2. Entscheidend sind die tatsächlichen Wohnverhältnisse, nicht die polizeiliche Anmeldung oder der Wohnsitz. Eine Wohnung ist jede Räumlichkeit, die zum ständigen Wohnen, nicht nur zum Aufenthalt, also insbesondere zum Schlafen, genutzt wird.[2] Keine Wohnung ist daher ein Büro oder eine Kanzlei, in der sich eine Schlaf- und Kochgelegenheit zur gelegentlichen Übernachtung befindet.[3]

Eine längerfristige Abwesenheit hebt die Eigenschaft als Wohnung nicht auf, solange sie Mittelpunkt der Lebensverhältnisse bleibt und eine Rückkehr zu erwarten ist.[4] Eine nur vorübergehende Abwesenheit liegt bei mehrmonatiger Straf- oder Untersuchungshaft nicht mehr vor.[5]

Hat der Zustellungsempfänger seine Möbel in bestimmte Räume bringen lassen, sein Namensschild angebracht und den Briefkastenschlüssel erhalten, bestehen erhebliche Indizien dafür, dass diese Räume seine Wohnung sind.[6] Als Wohnung gelten auch diejenigen Räume, die der Adressat selbst als seine Wohnung bezeichnet hat.[7] Um eine "Wohnung" auszuschließen und damit die Zustellung unwirksam zu machen, genügt nicht die Behauptung, die Wohnung sei zum Zeitpunkt des Zustellversuchs bereits aufgegeben gewesen; der Stpfl. muss zusätzlich vortragen, dass ihn die Post[8] unter der alten Adresse nicht mehr erreichen konnte, weil er keinen Zugang zu der Wohnung und dem Hausbriefkasten mehr hatte.[9]

Handelt es sich danach nicht um eine Wohnung des Zustellungsempfängers, führt die Übergabe der Sendung an einen dort lebenden Familienangehörigen, eine in der Familie beschäftigte Person oder einen erwachsenen ständigen Mitbewohner nicht zur Zustellung[10], da keine wirksame Ersatzzustellung nach § 178 ZPO vorliegt.[11]

 

Rz. 15

Außer an den Adressaten selbst kann in der Wohnung an bestimmte Ersatzpersonen zugestellt werden. Voraussetzung ist, dass der Empfänger selbst nicht angetroffen worden ist. Es genügt, dass der Zustellungsempfänger dem zustellenden Postbediensteten gegenüber als abwesend bezeichnet worden ist.

 

Rz. 16

Ersatzperson ist ein erwachsener Familienangehöriger. "Erwachsen" bedeutet nicht "volljährig", sondern geistige Reife, die den Betreffenden befähigt, die Bedeutung der Zustellung zu erkennen und sich entsprechend zu verhalten[12]; das ist i. d. R. schon bei Fünfzehnjährigen der Fall.[13]

Familienangehörige sind alle Personen, die in die familiäre Lebensgemeinschaft aufgenommen worden sind. I. d. R. wird es sich um verwandte Personen handeln. Die strittige Frage, ob auch eine nicht verwandte Person "Familienangehöriger" sein kann, z. B. ein Lebensgefährte[14], ist durch § 178 ZPO i. d. F. des Gesetzes v. 25.6.2001[15] dahin gelöst worden, dass die Ersatzzustellung an einen erwachsenen ständigen Mitbewohner ermöglicht wird; dies kann auch ein Lebensgefährte sein (vgl. Rz. 18).

Ehegatten, die innerhalb einer Wohnung getrennt leben, bilden keine Familiengemeinschaft; sie sind daher keine "Familienangehörigen", sodass sie keine geeigneten Ersatzpersonen sind.

Der Familienangehörige muss mit dem Zustellungsempfänger in dessen Wohnung eine Familiengemeinschaft bilden, also in der Wohnung des Zustellungsempfängers ebenfalls seine Wohnung haben. Familienangehörige, die in einer Nachbarwohnung wohnen, sind keine geeigneten Ersatzpersonen nach § 178 Abs. 1 ZPO.[16]

Ebenso kann nicht an andere Bewohner des Hauses als die in § 178 ZPO genannten zugestellt werden.[17]

 

Rz. 17

Geeignete Ersatzpersonen sind auch die in der Familie beschäftigten Personen (Hausangestellte). Dies sind Personen, die längere Zeit ständig angestellt sind, wenn auch nur stundenweise[18], wobei gleichgültig ist, ob sie von dem Zustellungsempfänger oder einem anderen Familienangehörigen (Ehegatten) angestellt worden sind. Ersatzpersonen sind danach Hausgehilfinnen, nicht aber Raumpflegerinnen, die nur vorübergehend be...

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