Rz. 8

§ 117 Abs. 4 S. 3 AO sah bisher eine unbeschränkte Anhörungspflicht vor der Übermittlung von Auskünften und Unterlagen im zwischenstaatlichen Amtshilfeverkehr im Bereich der Steuern vor, die von Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Der inländische Beteiligte ist grundsätzlich vorher anzuhören. Durch eine Änderung des § 117 Abs. 4 S. 3 AO gleichzeitig mit der Schaffung des EUAHiG ist die Anhörungspflicht im Rahmen des Informationsaustausches nach dem EUAHiG insofern eingeschränkt worden, als dieses ausdrücklich vorgesehen ist. § 12 Abs. 5 EUAHiG enthält eine solche Ausnahme für den Fall, dass der Prüfungserfolg bei einer vorherigen Anhörung gefährdet werden würde. Die Richtlinie 2011/16/EU sieht keine generelle Anhörungspflicht vor, was so in den meisten Mitgliedstaaten umgesetzt wurde. Dementsprechend kann es in der Praxis insbesondere bei Joint Audits zu Missverständnissen kommen, da die Intensität der Anhörungspflicht im Inland besonders ausgeprägt ist.

Ob von der grundsätzlichen Pflicht zur Anhörung im Einzelfall Abstand genommen werden kann, muss von der Finanzbehörde im Rahmen einer Einschätzung anhand konkreter Erkenntnisse abgewogen werden. Die Entscheidung über das Unterlassen der Anhörung ist zu dokumentieren. Die Gründe sind der vollen richterlichen Kontrolle zugänglich, da es sich nicht um eine reine Ermessensentscheidung handelt. Vielmehr muss die Finanzbehörde auf einer ersten Stufe einschätzen, ob bei einer Anhörung der Prüfungserfolg gefährdet wäre. Ist dies der Fall, so übt sie auf der zweiten Stufe ihr Ermessen aus, ob sie dennoch eine Anhörung durchführen will oder davon Abstand nimmt.

Wird im Rahmen eines Joint Audit eine Anhörung durchgeführt, so ist eine weitere Anhörung vor jeder Weitergabe eines konkreten Sachverhalts, beispielsweise dem Inhalt eines Dokuments, nicht mehr erforderlich.[1] Mit der vor dem Joint Audit durchzuführenden Anhörung wird der Rahmen des Informationsaustauschs geschaffen. Der Stpfl. kann sich darauf einstellen, dass Informationen weitergegeben werden. Eine Anhörung vor der Weitergabe jeder einzelnen Information würde zu erheblichen Verfahrensverzögerungen führen. Auch der Gesetzgeber hat bei erstmaliger Umsetzung der Amtshilferichtlinie dieses Problem gesehen und geht nicht von einer Anhörungspflicht vor jeder Weitergabe konkreter Informationen im Rahmen einer gemeinsamen Prüfung aus.[2] Neben der Ausnahme nach § 12 Abs. 5 EUAHiG kann eine Anhörung unter den Voraussetzungen des § 91 AO unterbleiben.

Zuständig für die Durchführung der Anhörung ist das FA, das die Außenprüfung durchführt.[3] Die Würdigung des Ergebnisses der Anhörung nimmt das BZSt vor Weitergabe der Informationen an das Ausland vor.

Ist die Anhörung zu Unrecht unterblieben, so kann dieser Fehler nach § 126 Abs. 1 Nr. 3 Abs. 2 AO bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt und damit geheilt werden.[4] Die grundsätzliche Pflicht zur vorherigen Anhörung führt nicht zu einem Zustimmungsvorbehalt des Stpfl. Einer solchen Zustimmung bedarf es für die Durchführung einer gleichzeitigen Prüfung nicht.[5]

Im Rahmen der Anhörung ist vielmehr zu prüfen, ob die Gefahr der Verletzung des Steuergeheimnisses besteht.

[1] A. A.Frey/Schwenk, BB 2017, 1310 (1312), die eine Anhörung vor der Weitergabe einer jeden einzelnen Information für erforderlich halten.
[2] BT-Drs. 17/1000, 49.
[3] BMF-Merkblatt über koordinierte steuerliche Außenprüfungen mit Steuerverwaltungen anderer Staaten und Gebiete v. 9.1.2017, BStBl I 2017, 89, Tz. 3.2.

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