Rz. 58

Ein Kontenabruf für steuerliche Zwecke kann im Einzelfall erfolgen, wenn dies zur Festsetzung oder Erhebung von Steuern erforderlich ist und ein Auskunftsersuchen an den Stpfl. nicht zum Ziel geführt hat oder keinen Erfolg verspricht.[1] Die Erforderlichkeit, die von der Finanzbehörde im Weg einer Prognoseentscheidung zu beurteilen ist, setzt keinen begründeten Verdacht dafür voraus, dass steuerliche Unregelmäßigkeiten, wie z. B. Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit, vorliegen. Es genügt vielmehr, wenn aufgrund konkreter Momente oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen ein Kontenabruf angezeigt erscheint.[2] Ein Kontenabruf ist hingegen nicht erforderlich, wenn es zur Aufklärung des Sachverhalts ein ebenso geeignetes, aber für den Betroffenen weniger belastendes Beweismittel gibt (Subsidiaritätsprinzip).

Für die Verfolgung und Ahndung von Steuerstraftaten zuständige Behörden und Gerichte sind aus dem Anwendungsbereich des § 93 Abs. 7 AO ausgenommen, da diese zum Kreis der nach § 24c Abs. 3 Nr. 2 KWG Zugriffsberechtigten zählen und damit Anfragen direkt an die BaFin richten dürfen. Da in dem Verfahren nach dem KWG kein Datenabrufverfahren vorgesehen ist und die Anfragen dort noch analog gestellt und personell beantwortet werden müssen, wächst der Druck, den Anwendungsbereich des § 93 Abs. 7 AO auch für das Steuerstrafverfahren zu öffnen.

 

Rz. 59

Die Sachaufklärung durch den Beteiligten hat nicht zum Ziel geführt, wenn diese zwar versucht wurde, letztlich aber erfolglos geblieben ist. Unerheblich ist dabei, ob der Beteiligte zur Aufklärung des Sachverhalts nicht in der Lage war oder dies nicht wollte. Ein Auskunftsersuchen an den Stpfl. verspricht keinen Erfolg, wenn nach den Umständen des Einzelfalls oder nach den bisherigen Erfahrungen mit dem Beteiligten mit einer Sachaufklärung nicht zu rechnen ist, weil z. B. dessen Auskunft aufgrund konkreter Umstände von vornherein als unglaubwürdig zu werten wäre oder der Beteiligte erkennbar keine eigenen Kenntnisse über den relevanten Sachverhalt besitzt.[3] Letzteres dürfte in der Praxis nur in seltenen Ausnahmefällen anzunehmen sein. Ob die Sachaufklärung durch den Beteiligten zum Ziel führt oder Erfolg verspricht oder ob dies nicht zutrifft, ist eine Frage der Beweiswürdigung. Diese obliegt der Finanzbehörde.[4]

 

Rz. 59a

Nach § 93 Abs. 9 AO (vgl. Rz. 72ff.) entfällt die Information an den Stpfl., wenn das ermittelte Konto für eine bevorstehende Vollstreckungsmaßnahme genutzt werden sollte, dessen Erfolg – z. B. weil das zu pfändende Konto geleert werden würde – den Erfolg der Vollstreckungsmaßnahme vereitelte.[5] Ausreichend ist es, wenn der Stpfl. in einer der Vollstreckungshandlung vorhergehenden Zahlungserinnerung auf die in Betracht kommenden Vollstreckungsmaßnahmen hingewiesen wird.

 

Rz. 60

Dem Kontenabruf liegt eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde zugrunde. Bei der Ermessensausübung sind nach AEAO, zu § 93 Nr. 2.3 die Grundsätze der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der Verhältnismäßigkeit der Mittel, der Erforderlichkeit, der Zumutbarkeit, der Billigkeit und von Treu und Glauben sowie das Willkürverbot und das Übermaßverbot zu beachten. Die Maßnahme kann nur anlassbezogen und zielgerichtet erfolgen und muss sich auf eine eindeutig bestimmte Person beziehen. Hierdurch sollen insbes. Rasterfahndungen oder routinemäßige Ermittlungen ausgeschlossen werden.[6]

 

Rz. 61

Die Verantwortung für die Zulässigkeit des Datenabrufs und der Datenübermittlung trägt die ersuchende Finanzbehörde.[7] Das BZSt leistet im Rahmen eines Kontenabrufs nach § 93 Abs. 7 AO keine Amtshilfe, sondern lediglich als Zentralstelle technische Unterstützung.[8] Die Länder haben organisatorische Regelungen getroffen, nach denen finanzamtsintern das abschließende Zeichnungsrecht stets dem Hauptsachgebietsleiter AO zusteht.

[1] Vgl. AEAO, zu § 93 Nr. 2.3.
[2] BFH v. 17.3.1992, VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Sell, DStR 2005, 717; Burchert, INF 2005, 334.
[3] Vgl. AEAO, zu § 93 Nr. 1.4.
[4] Vgl. AEAO, zu § 93 Nr. 2.6.
[5] Vgl. AEAO zu § 93 Nr. 2.2.7.
[6] v. Wedelstädt, DB 2005, 639; Burchert, INF 2005, 334.
[8] Vgl. BT-Drs. 15/1309, 12; Koenig/Wünsch, AO, 5. Aufl. 2024, § 93 Rz. 30.

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