Rz. 79

Im Einzelnen noch durch die Rspr. zu klären ist, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn ein Gericht im Nachhinein feststellt, dass die Voraussetzungen für einen Kontenabruf nicht vorgelegen haben. Insbes. stellt sich dann die Frage, ob die rechtswidrig erlangten Informationen einem steuerlichen Verwertungsverbot unterliegen.[1] Denn ein Betroffener, bei dem der Kontenabruf zu einer höheren Steuerfestsetzung geführt hat, wird immer auch begehren, dass die rechtswidrig erlangten Kenntnisse nicht in einem Steuerbescheid ausgewertet werden dürfen.

 

Rz. 80

Nach st. Rspr. des BFH[2] besteht im Besteuerungsverfahren kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt worden sind. Es gibt daher auch kein allgemeines steuerrechtliches Verwertungsverbot aufgrund einer "Verletzung der steuerrechtlichen Pflichten bei der Informationsgewinnung". Der Gesetzgeber hat die Entwicklung steuerrechtlicher Verwertungsverbote vielmehr ausdrücklich der Rspr. überlassen[3], die diese Frage jedoch nur anhand des jeweiligen Verfahrensverstoßes beantworten kann. Dabei kommt dem Schutzzweck der verletzten Norm besondere Bedeutung zu.

 

Rz. 81

Eine Verwertung der Informationen ist zulässig, wenn lediglich Form- oder Ordnungsvorschriften verletzt worden sind und der insoweit unrechtmäßige Kontenabruf jederzeit auch unter Vermeidung des begangenen Verstoßes rechtmäßig wiederholbar wäre. Dafür spricht auch der Rechtsgedanke des § 127 AO, der die Aufhebung von Verwaltungsakten bei Verstößen gegen Form- und Verfahrensvorschriften bewusst ausschließt, wenn in der Sache keine andere Entscheidung hätte getroffen werden können.[4] In solchen Fällen überwiegt das Interesse an einer gesetzmäßigen und gleichmäßigen Steuerfestsetzung dasjenige der betroffenen Stpfl. an einem formal rechtmäßigen Verfahren.[5] Ein Verwertungsverbot wird hingegen ausgelöst, wenn die Aufklärungsmaßnahme in ein Grundrecht oder unter Verletzung des Übermaßverbots in eine grundrechtlich geschützte Position des Stpfl. eingreift. In einem solchen Fall muss das Interesse des Stpfl. an einem effektiven Grundrechtsschutz Vorrang genießen.[6] Da der Kontenabruf einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bewirkt, wird dessen Rechtswidrigkeit oftmals ein Verwertungsverbot für die erlangten Informationen nach sich ziehen.[7] Es bleibt der Finanzbehörde allerdings unbenommen, nach Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Kontenabrufs erneut einen Kontenabruf unter Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen vorzunehmen.[8]

[1] So Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Rz. 55.
[3] BT-Drs. 7/4292, 25.
[4] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 88 AO Rz. 302.
[6] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 88 AO Rz. 308; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 88 AO Rz. 16.
[7] Klein/Rätke, AO, 17. Aufl. 2023, § 93 Rz. 71; wohl auch Roser, in Gosch, AO/FGO, § 93 AO Rz. 65; Schmidt, BB 2005, 2155, der allerdings anders als BVerfG v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u. a., NJW 2007, 2464 den Kontenabruf im Hinblick auf Eingriffsintensität und Grundrechtsrelevanz mit einer Abhörmaßnahme nach § 100a StPO vergleicht; a. A. Burchert, INF 2005, 334, der offenbar generell von einer Verwertbarkeit ausgeht.
[8] Burchert, INF 2005, 334; Hütt, AO-StB 2005, 173.

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