Rz. 29

Die Folgen rechtswidriger Beweiserhebung sind in der AO nicht geregelt.[1] Der Gesetzgeber hat die Entwicklung steuerrechtlicher Verwertungsverbote ausdrücklich der Rspr. überlassen[2], die diese Frage jedoch nur anhand des konkreten Verfahrensverstoßes beantworten kann. Dabei kommt dem Schutzzweck der verletzten Norm besondere Bedeutung zu.

Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen es verboten ist, das Ergebnis einer rechtswidrigen Beweiserhebung im Besteuerungsverfahren zu verwerten, bewegt sich auf der Grenze zweier Rechtsprinzipien von Verfassungsrang. Dem Grundsatz der gesetz- und gleichmäßigen Besteuerung[3] steht der Rechtsschutz des Einzelnen vor rechtswidrigen Maßnahmen der Verwaltung gegenüber.[4]

 

Rz. 30

Nach st. Rspr. des BFH[5] besteht im Besteuerungsverfahren kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt worden sind. Es gibt daher auch kein allgemeines Verwertungsverbot aufgrund einer "Verletzung der steuerrechtlichen Pflichten bei der Informationsgewinnung". Beweisverwertungsverbote greifen im Wesentlichen bei Verstößen gegen Beweisermittlungsvorschriften ein.[6] Die Verletzung sonstiger Form- und Ordnungsvorschriften ist dagegen regelmäßig unschädlich.[7]

4.1 Verstoß gegen Beweisermittlungsverbote

 

Rz. 31

Die in § 92 AO normierte Beweismittelfreiheit ermächtigt die Finanzbehörde nicht, in grundrechtlich geschützte Positionen des Bürgers einzugreifen. Aus diesen Positionen von Verfassungsrang folgen Beweisermittlungsverbote, die ihrerseits entweder in den Verfahrensordnungen gesetzlich geregelt sind oder sich aus den Grundrechtsartikeln des GG selbst ergeben. Soweit die Verfahrensordnungen entsprechende Vorschriften enthalten, regeln diese für die Finanzbehörde verbindlich das Verhältnis von staatlichem Aufklärungsinteresse einerseits und verfassungsrechtlich garantiertem Individualrecht andererseits. Die Nichtbeachtung darin gezogener Grenzen staatlichen Handelns impliziert über den Verfahrensfehler somit zugleich einen Grundrechtsverstoß. Die aus der Rechtsverletzung gewonnenen Erkenntnisse dürfen wegen der an dem verletzten Rechtsgut zu messenden Schwere des Verstoßes nicht verwertet werden. In einem solchen Fall muss das Individualinteresse des Stpfl. an einem effektiven Grundrechtsschutz gegenüber dem Gemeinwohlinteresse an einer materiell zutreffenden Besteuerung Vorrang genießen.[1]

 

Rz. 32

Die AO enthält derart qualifizierte Beweisermittlungsvorschriften mit Grundrechtsbezug in den Regelungen über die Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte.[2] Diese Vorschriften sollen insb. den Schutz von Ehe und Familie[3] und den Schutz der Berufsfreiheit[4] gewährleisten. Eine Verletzung dieser Vorschriften ist grundsätzlich – mit Ausnahme nachträglich erteilter Zustimmung – irreparabel. Da der Verstoß nicht rückgängig gemacht werden kann, darf die Finanzbehörde die in diesem Zusammenhang gewonnenen Erkenntnisse nicht verwerten. Das Beweisverwertungsverbot gilt unmittelbar.[5]

 

Rz. 33

Beweisverwertungsverbote folgen jedoch nicht nur aus der Verletzung der für das Besteuerungsverfahren unmittelbar geltenden Beweisermittlungsvorschriften. Auch die entsprechenden Regelungen anderer Verfahrensordnungen sind zu beachten. Zwar stehen der Finanzbehörde auch gegenüber anderen Behörden Ermittlungsbefugnisse zu.[6] Doch auch für den grundsätzlichen Vorrang der im Besteuerungsinteresse liegenden Offenbarungspflichten gegenüber den amtlichen Verschwiegenheitspflichten gilt gem. § 105 Abs. 2 AO ausdrücklich der Grundrechtsvorbehalt.[7]

Im Weg der Aktenbeiziehung erlangte Kenntnisse können deshalb nicht verwertet werden, wenn die mitteilende Behörde durch die Informationsüberlassung gegen für sie direkt geltende, grundrechtsschützende Verfahrensnormen verstoßen hat.[8]

 

Rz. 34

Gleiches gilt für Ermittlungsergebnisse, die im Weg zwischenstaatlicher Amtshilfe in Steuersachen[9] erzielt wurden. Der Sachverhalt muss von der ausländischen Behörde unter Beachtung deutscher Rechtsgrundsätze ermittelt worden sein. Ist dies nicht aktenkundig, so ist nach inländischen Rechtsgrundsätzen zu prüfen, ob die Ergebnisse im Rahmen des Besteuerungsverfahrens verwertet werden können. Unterlägen sie als ein gedachtes Ergebnis deutscher Behörden einem Verwertungsverbot, so gilt dies auch für die...

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