Rz. 44

Obgleich vollständige Aktenkenntnis in der Regel Voraussetzung für eine fundierte Stellungnahme sein dürfte, entspricht es ganz herrschender Auffassung, dass § 91 AO keinen allgemeinen Anspruch auf Akteneinsicht beeinhaltet.[1] Grund hierfür dürfte sein, dass anders als in § 29 VwVfG für die außersteuerlichen Verwaltungsverfahren geregelt, eine jederzeitige Akteneinsicht den Fortgang des Besteuerungsverfahren empfindlich stören dürfte, zumal diese zur Wahrung des Steuergeheimnisses mit gesonderten Schutzmaßnahmen (z. B. Unkenntlichmachung von Drittdaten, Aussonderung in einen separaten Aktenraum) zu erfolgen hätte. Völlig ausgeschlossen ist die Einsichtnahme in die Steuerakte gleichwohl nicht. Über einen Antrag auf Gewährung hat die Finanzbehörde im Rahmen der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden.[2]

Nach der Auffassung der Verwaltung[3] kommt hiernach nur in wenigen Ausnahmefällen (z. B. Rechtsnachfolge des Ersuchenden, Vernichtung der eigenen Unterlagen) in Betracht. An dieser Auffassung hat sich auch nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung[4] und der begleitenden Änderungen in §§ 32a ff AO nichts geändert. Ein in direkter Anwendung des Art. 15 DSGVO gestellter Antrag auf Zugänglichmachung der gespeicherten steuerlichen Informationen wäre ohne eine Eingrenzung bezüglich Verarbeitungszeitraum, Steuerart o. ä. als exzessiv anzusehen. Jedenfalls ist dieser nach der Verwaltungssicht[5] nicht mit einem allgemeinen Akteneinsichtsrecht gleichzusetzen. Dieser Sicht hat sich mittlerweile auch die Rechtsprechung[6] angeschlossen, nach der dem Stpfl. weder ein Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten in Gestalt von Doppeln von Akten durch das beklagte FA noch ein Anspruch auf den Akteninhalt zuzugestehen ist. Allerdings bleibt es der Finanzbehörde unbenommen, den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO im Wege der Akteneinsicht an Amtsstelle zu erfüllen, wenn sie dies als zweckmäßig ansieht. Dies mag bei umfangreichen Aktenbeständen und komplexen Sachverhaltskonstellationen der Fall sein. Allerdings wird dieser Auskunftsanspruch durch § 32c AO[7] eingeschränkt, sodass die Akteneinsicht nur vorbehaltlich der dort geregelten Beschränkung gewährt werden kann.

Ansprüche nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder[8] reichen – wie § 32e AO klarstellt – nicht weiter als der Auskunftsanspruch nach der DSGVO, sodass die in §§ 32c ff. AO geregelten Beschränkungen auf die Informationsfreiheitsgesetze durchschlagen.

[1] BFH v. 3.11.2020, III R 59/19, BFHE 271, 37; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 91 AO Rz. 25; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 91 AO Rz. 124.
[3] BMF v. 13.1.2020, BStBl I 2020, 143 Rz. 32.
[4] DSGVO, Verordnung (EU) 2016/679 vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, ABl EU L 119, 1 v. 4.5.2016, 1 und ABl EU L 314, 72 v. 22.11.2016.
[5] BMF v. 13.1.2020, BStBl I 2020, 143 Rz. 66.
[7] Vgl. die Kommentierung bei Erkis, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, zu § 32c AO.
[8] Z. B. InformationsfreiheitsG Bund, IFG NRW oder TransparenzG HH.

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