Rz. 39

Zunächst beschreibt § 88b AO die Nutzungsmöglichkeiten und Ziele. Diese zweckbestimmte Eingrenzung ist ein wesentlicher Faktor für die Bestimmtheit der Norm. Eine Behebung eventuell verbliebener Bestimmtheitsmängel durch verfassungskonforme Auslegung der Norm ist jedenfalls dann möglich, wenn der Regelungskern der Norm deutlich den Zweck erkennen lässt, dem die Regelung dienen soll.[1] Zugleich wirkt der Eingriff geringer, wenn die gesetzliche Ermächtigung den Zweck der Datennutzung selbst bestimmt.[2]

2.5.1 Tatbestandsmerkmal Steuerverkürzung

 

Rz. 39a

Das Tatbestandsmerkmal der Steuerverkürzung ist kein bloßer Oberbegriff für Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten, sondern geht über diese hinaus. Es enthält – als objektives Tatbestandsmerkmal des Steuerstraftatbestands des § 370 AO – kein subjektives Tatelement, sondern umfasst alle Sachverhalte, in denen Steuern nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden.[1]

[1] Beckmann, DStR 2017, 971, 974 und 972 m. w. N., Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 88b AO Rz. 7.

2.5.2 Verhütung

 

Rz. 40

Ein Ziel des Gesetzes ist zum einen die Verhütung von Steuerverkürzungen. Mit der Berechtigung zur Datennutzung für den Zweck der Verhütung von Steuerverkürzungen enthält die Berechtigungsnorm einen präventiven Ansatz.[1] Die Regelung dient nicht nur der Entdeckung tatsächlich begangener Straftaten, sondern hat einen besonderen Wert in ihrer spezial- aber auch generalpräventiven Wirkung und damit in der Erhöhung der Risiken einer Tatbegehung.

 

Rz. 41

Der Verhütung künftiger und weiterer Straftaten dient auch die Erfassung und Aufdeckung von Mustern, die mit dem Bekanntwerden ihre Nutzbarkeit für Steuerverkürzungszwecke verlieren.

[1] Beckmann, DStR 2017, 971, 972; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 88b AO Rz. 7.

2.5.3 Ermittlung oder Verfolgung

 

Rz. 42

Die Ermittlung und Verfolgung von verkürzungsrelevanten Sachverhalten und Steuerstraftaten ist Inhalt des § 88b AO. Damit ist die Fahndungsbezogenheit der Maßnahme beschrieben. Mit dieser Aufgabenzuweisung an die für Maßnahmen nach § 88b AO zuständigen Stellen verschiebt sich aber nicht die Zuständigkeit für die Verfolgung von Steuerstraftaten nach § 208 AO. Hier kann auf die Aufgaben der Steuerfahndungsbehörden nach § 208 AO und nicht zuletzt auf die Bedeutung des § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO hingewiesen werden, der nach der Aufgabenerweiterung für das BZSt durch das Jahressteuergesetz 2020[1] auch für dieses i. V. m. § 208a Abs. 1 AO Zuständigkeiten schafft.

Die Zuständigkeitsbegründungen nach §§ 386ff. AO sowie durch die nach § 387 Abs. 2 AO ergangenen Rechtsverordnungen werden nicht berührt. Die über § 88b AO den zuständigen Stellen zugewiesene Aufgabe beschränkt sich auf den Abruf der Daten und deren zweckentsprechende Verwendung zum automatisierten Datenabgleich. Nach Auswertung der Daten sind Verdachtsfälle nach Abs. 2 an die örtlich und sachlich zuständigen FÄ abzugeben (vgl. Rz. 72). Eine eigene Strafverfolgungskompetenz der nach Abs. 3 als zuständig bestimmten Stellen begründet § 88b Abs. 1 AO nicht.

 

Rz. 43

Gleichzeitig umfasst der Begriff der Ermittlungen hier bereits die Vorfeldermittlungen und ist nicht nur auf die Regelungen nach dem Achten Teil, Dritter Abschnitt, 2. Unterabschnitt der AO[2] beschränkt. Erfasst werden sowohl Vorfeld- und Vorermittlungen i. S. v. Nr. 12 und Nr. 13, wie auch Ermittlungsmaßnahmen nach Nr. 17 der AStBV (St)[3], wobei auch auf deren Abschn. 6 hinsichtlich der allgemeinen Ermittlungsgrundsätze verwiesen werden kann. Auch hier gilt aber, dass die für den Abruf der Daten und deren Auswertung in automatisierten Verfahren nach § 88b AO zuständigen Stellen keine eigenständige Ermittlungsbefugnis im Einzelfall haben, soweit sie nicht selbst – jenseits der Aufgabe nach § 88b AO – örtlich und sachlich für die Steuerfahndung zuständig sind (s. zu Rz. 42).

[1] JStG 2020 v. 21.12.2020, BGBl I 2020, 3096.
[2] Ermittlungsverfahren nach §§ 397 ff. AO.
[3] Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 1.12.2019, BStBl I 2019, 1142.

2.5.4 Länderübergreifend (Nr. 1)

 

Rz. 44

In der Beschränkung auf besondere Gestaltungsformen der Steuerverkürzung liegt eine einengende Präzisierung des Tatbestands, der wesentlich auch zur Bestimmtheit der Norm beiträgt (s. zu Rz. 39). Zugleich gibt der Gesetzgeber dadurch auch eine präzisierende Grundlage für die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

 

Rz. 45

Der Analyse- oder Ermittlungszweck muss von (mindestens) länderübergreifender Bedeutung sein. Durch die Zielrichtung der Bekämpfung gerade länderübergreifender Steuerverkürzungen dient die Norm gerade auch der Beseitigung föderalismusbedingter Vollzugsdefizite (s. zu Rz. 25). Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass durch die föderal aufgebaute Steuerverwaltung für Steuerverkürzungsgestaltungen Möglichkeiten eröffnet sind, den erschwerten Datenzugriff für Zwecke der Steuerverkürzung zu nutzen. Zielgerichtet soll den länderübergreifend vorkommenden und insbesond...

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