1.8.3.1 Grundsatz

 

Rz. 27

Die Vollmacht kann gegenüber der Finanzbehörde, aber auch nur gegenüber dem Bevollmächtigten erteilt werden.[1]

Die Erteilung der Vollmacht bedarf entsprechend § 167 Abs. 2 BGB keiner besonderen Form.[2] Die Vollmacht kann schriftlich, durch Telegramm oder Telefax, nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch, aber auch mündlich, telefonisch oder zu Protokoll der Finanzbehörde erteilt werden.

Die Vollmacht kann ausdrücklich, aber auch durch konkludentes Verhalten erteilt werden. Es muss ein Verhalten des Beteiligten vorliegen, aufgrund dessen bei verständiger Würdigung die Einräumung der Vertretungsmacht angenommen werden kann. Lediglich bei der elektronischen Übermittlung von Vollmachtdaten an Landesfinanzbehörden nach § 80a AO ist das "amtliche Muster für Vollmachten im Besteuerungsverfahren" zwingend zu verwenden.[3]

 

Rz. 28

Eine konkludente Vollmachtserteilung unter Ehegatten kann i. d. R. in der Abgabe einer gemeinsamen Steuererklärung gesehen werden.[4] Die daraus resultierende Vertretungsmacht des Ehegatten erstreckt sich grundsätzlich auf alle im Besteuerungsverfahren erforderlichen Verfahrenshandlungen,[5] also auch auf die Bekanntgabe von Verwaltungsakten einschließlich der Befugnis zur Empfangnahme von Berichtigungsbescheiden.[6]

1.8.3.2 Rechtsscheingrundsätze

 

Rz. 29

Von der Vollmachtserteilung durch konkludentes Verhalten sind die Fälle zu unterscheiden, in denen eine Vollmacht nicht erteilt wurde, der angeblich Vertretene sich unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes den durch das Auftreten und Verhalten des angeblichen Vertreters erzeugten Rechtsschein der Bevollmächtigung gleichwohl zurechnen lassen muss.[1] Der Rechtsschein fingiert die wirksame Bevollmächtigtenstellung i. S. v. § 80 AO.[2] Durch eine zusätzliche auf dem Rechtsschein beruhende Vollmacht wird ein zuvor begründetes Vertretungsverhältnis nicht berührt.[3]

Diese Rechtswirkung des Rechtsscheins tritt ein im Fall der:

  • Duldungsvollmacht, wenn der Vertretene von dem Auftreten des angeblichen Vertreters Kenntnis hat und dieses Verhalten duldet und nicht verhindert;[4]
  • Anscheinsvollmacht, wenn der Vertretene das Auftreten des angeblichen Vertreters zwar nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können.[5] Es muss ein wiederholtes Verhalten des "Vertreters" vorliegen. Ein einmaliges Verhalten begründet grundsätzlich keine Anscheinsvollmacht.[6]
 

Rz. 30

Diese allgemeinen Grundsätze über die Anscheins- oder Duldungsvollmacht gelten auch für das Verwaltungsverfahren in Steuersachen.[7] Hier ist zu beachten:

  • Der formularmäßige Antrag auf Fristverlängerung[8] oder die Mitwirkung bei der Erstellung der Steuererklärung begründet nicht den Anschein der Vollmacht zur Verfahrensmitwirkung und insbesondere zur Einspruchseinlegung.[9]
  • Aus der Empfangsbevollmächtigung kann nicht auf eine allgemeine Bevollmächtigung geschlossen werden.[10]
  • Für den im Namen des Importeurs handelnden Spediteur wird eine Vollmachtsvermutung nicht begründet.[11]
[4] FG Düsseldorf v. 26.2.1997, 7 K 3208/91 GE, EFG 1997, 1087 für eine Empfangsvollmacht; für die jahrelange Mitwirkung eines Steuerberaters bei der Erfüllung verschiedener steuerlicher Pflichten Niedersächsisches FG v. 31.1.2001, 4 K 539/00, EFG 2001, 1530.
[6] FG des Saarlandes v. 27.9.1990, 2 K 185/88, EFG 1991, 294; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rz. 5; a. A. Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 80 AO Rz. 95.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge