1.6.5.1.1 Allgemeines

 

Rz. 19

Bevollmächtigter i. S. v. § 80 AO kann nur sein, wer die rechtliche Fähigkeit zur Vertretung besitzt. Fehlt diese, so sind die von dem Handelnden vorgenommenen Verfahrenshandlungen unwirksam.[1] Der vertretungsunfähige Handelnde ist in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 8 AO zurückzuweisen[2], wobei allerdings die Zurückweisung lediglich deklaratorische Wirkung hat und nicht erst zukünftige, nach der Zurückweisung vorgenommene Verfahrenshandlungen unwirksam sind.

Besondere Voraussetzungen für die Vertretungsfähigkeit nennt § 80 AO nicht. Diese ergeben sich vielmehr aus der Rechtsstellung des Vertreters, der für den Beteiligten die Willensbildung und die erforderlichen Verfahrenshandlungen vornehmen kann.

Die Vertretungsfähigkeit im Besteuerungsverfahren setzt nicht die rechtliche Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen voraus. Fehlt diese rechtliche Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen, so ist der Bevollmächtigte zurückzuweisen. Die vor der Zurückweisung vorgenommenen Verfahrenshandlungen sind voll wirksam.

[1] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 80 AO Rz. 61.
[2] Söhn, in HHSP, AO/FGO, § 80 AO Rz. 61.

1.6.5.1.2 Natürliche Personen

 

Rz. 20

Die Vornahme von Verfahrenshandlungen durch den Vertreter setzt nach § 79 AO die Handlungsfähigkeit voraus, die ihrerseits wieder an die bürgerlich-rechtliche Geschäftsfähigkeit anknüpft, also an die Fähigkeit zur rechtlich relevanten Willensbildung und -erklärung.

 

Rz. 21

Vertretungsfähigkeit besitzen jedoch grundsätzlich nur unbeschränkt geschäftsfähige Personen.[1] Dies gilt jedoch nicht, wenn beschränkt geschäftsfähigen Personen Handlungsvollmacht[2] oder Prokura[3] verliehen ist.

[1] Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 14 VwVfG Rz. 26 m. w. N.; Söhn, in HHSP, AO/FGO, § 80 AO Rz. 60.

1.6.5.1.3 Juristische Personen und Personenvereinigungen

 

Rz. 22

Vertretungsfähigkeit im Besteuerungsverfahren besitzen auch juristische Personen des Zivilrechts.[1] Diese besitzen allerdings selbst keine natürliche Handlungsfähigkeit. Sie handeln aber kraft Gesetzes durch ihre Organe, gesetzlichen Vertreter oder besonders Beauftragten, die die rechtlich erforderlichen Eigenschaften besitzen.

Die Vertretungsfähigkeit im Verwaltungsverfahren in Steuersachen unterscheidet sich insoweit von der Prozessfähigkeit im allgemeinen gerichtlichen Verfahren[2], die nur für natürliche Personen besteht. Diese Einschränkung ist jedoch, da sie in § 80 AO nicht aufgenommen worden ist, nicht auf das Verwaltungsverfahren in Steuersachen zu übertragen. Insoweit sind vielmehr auch die Regelungen des StBerG in die Betrachtung einzubeziehen. Hier ist die rechtliche Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen[3] auch nicht auf natürliche Personen beschränkt.[4] Insbesondere können Rechtsanwaltsgesellschaften, Steuerberatungsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Buchprüfungsgesellschaften und Lohnsteuerhilfevereine diese Tätigkeit ausüben.[5] Es wäre sinnwidrig, einerseits derartige Vereinigungen rechtlich zuzulassen, ihnen andererseits aber die Vertretungsbefugnis abzusprechen, die wesentlicher Inhalt ihrer beruflichen Tätigkeit ist.[6] Demgemäß ist auch im finanzgerichtlichen Verfahren gem. § 62 FGO nach st. Rspr. des BFH und nahezu einhelliger Ansicht in der Lit.[7] eine Bevollmächtigung von juristischen Personen und Personenvereinigungen zulässig.[8] Ebenso begründet § 62 Abs. 4 S. 3 FGO auch für das Verfahren vor dem BFH die Vertretungsfähigkeit dieser juristischen Personen und Personenvereinigungen.

[1] S. a. Lohmeyer, DStZ/A 1979, 89; Mues, in Gosch, AO/FGO, § 80 AO Rz. 16; a. A. Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 80 AO Rz. 8; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 80 AO Rz. 63; Koenig/Hahlweg, AO, 4. Aufl. 2021, § 80 Rz. 18.
[5] Vgl. §§ 3, 43, 49 StBerG.
[6] S. § 33 StBerG.

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