Rz. 1

Die Täterschaft oder Teilnahme an einer Steuerhinterziehung[1] oder einer Steuerhehlerei[2] führt nicht nur zur Strafbarkeit, sondern kann auch bewirken, dass der Täter oder Teilnehmer für die durch sein Verhalten eingetretene Minderung des Steueraufkommens haften muss. Die Vorschrift, die durch Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Modernisierung des Steuerverfahrens v. 18.7.2016[3] mit Wirkung ab 1.1.2017 geändert worden ist, soll damit der Beseitigung der Unrechtsfolgen dienen. Sie hat Schadensersatzcharakter.[4] Zugleich stärkt sie die Rechtsposition des Steuergläubigers dadurch, dass wegen der Steuerminderung Zugriff auf das Vermögen einer weiteren Person genommen werden kann[5] und dass dieser Zugriff durch die Finanzbehörden kraft eigenen Rechts erfolgen kann. Die – allerdings selten praktizierte – Möglichkeit, vollen Schadenersatz nach den Vorschriften über die unerlaubte Handlung[6] zu erlangen, soll durch die Haftung nach § 71 AO nicht ausgeschlossen werden.[7] Von Bedeutung kann diese Möglichkeit zivilrechtlicher Inanspruchnahme in den von Halaczinsky[8], genannten Fällen sein, in denen der Haftende sich im Ausland aufhält und der Aufenthaltsstaat keine steuerliche Amtshilfe leistet. § 14c Abs. 2 UStG[9] und Art. 203 ZK enthalten einen ähnlichen Gedanken wie § 71 AO[10], setzen allerdings für die Entstehung der Rechnungssteuer nur eine Gefährdung des Aufkommens, nicht dagegen einen konkreten Schaden voraus.[11] § 14c Abs. 2 UStG und § 71 AO schließen sich gegenseitig nicht aus. Auch ist eine Haftung nach § 71 AO für die Rechnungssteuer des § 14c Abs. 2 UStG möglich.[12] Im Übrigen war auch der Vorgänger des § 14c Abs. 2 UStG, nämlich § 14 Abs. 3 UStG a. F., trotz seines "Strafcharakters" verfassungsgemäß.[13] Ähnliche Haftungsfolgen wegen Gefährdung des USt-Aufkommens sehen auch die – allerdings gemeinschaftsrechtlich bedenklichen – Haftungsvorschriften der §§ 13c UStG vor. Neben einer Haftung nach § 71 AO kommt auch eine Haftung nach § 25d UStG in Betracht, etwa in Fällen des Umsatzsteuerkartellbetruges.[14]

 

Rz. 2

Die Vorschrift ist nicht anwendbar, wenn der Haftungsschuldner (s. Rz. 4) zugleich der Steuerschuldner wäre. Haftung ist nämlich begrifflich das Einstehenmüssen für fremde Steuerschuld.[15] Von der überwiegenden Auffassung in der Literatur wird in Anlehnung an die höchstrichterliche Rechtsprechung[16] die Auffassung vertreten, dass als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 71 AO der Ausschluss der Steuerschuldnerschaft zu vertreten sei.[17] Erlässt die Finanzbehörde gegen den Steuerschuldner dennoch einen Haftungsbescheid nach §§ 71, 191 AO, so ist dies entgegen der früheren Auffassung des BFH v. 12.5.1970, VII R 34/68, BStBl II 1970, 606 kein rechtlich unerheblicher Bezeichnungsfehler. Ausnahmsweise hat der BFH eine Haftungsinanspruchnahme des Steuerschuldners nach § 71 AO als Mittäter oder Teilnehmer dennoch zugelassen, wenn wegen einer Aufteilung der Steuerschuld nach §§ 268, 278 AO gegen diese Person nicht als Steuerschuldner vollstreckt werden kann.[18] Ausnahmsweise hat der BFH in Fällen des zu versagenden Vorsteuerabzugs neben der Folge bei einer Steuerschuldnerschaft auch die Haftung nach § 71 AO angenommen.[19] Macht die Finanzbehörde durch Haftungsbescheid eine nicht bestehende Haftungsschuld geltend, so kann diese klare Willensäußerung nicht durch Umdeutung korrigiert werden.[20] Es ist für die Haftungsinanspruchnahme grundsätzlich nicht erforderlich, dass der hinterzogene Steuerbetrag beim Unterlassen der Hinterziehung tatsächlich gezahlt worden wäre.[21]

 

Rz. 2a

Die höchstrichterliche Rspr. hat die Vorschrift lange auch auf solche Fälle des Subventionsbetrugs gem. § 264 StGB angewendet, bei denen InvZul ertrogen worden sind.[22] Gemäß InvZulG[23] sind nämlich auch die Vorschriften der AO zur Haftung entsprechend anzuwenden. Nach Änderung der Rspr. will der BFH jetzt die in § 7 Abs. 1 S. 1 InvZulG enthaltene (allgemeine) Verweisung, nach der die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO entsprechend anzuwenden sind, nach ihrem Wortsinn nicht mehr auf den Subventionsbetrug anwenden, weil das auf die "Erschleichung" einer InvZul gerichtete Verhalten keine Steuerhinterziehung i. S. des § 71 AO darstellt. Eine analoge Anwendung des § 71 AO ist nach Auffassung des BFH in neuerer Rspr. ausgeschlossen.[24] Ohne eine solche Verweisung wäre allerdings § 71 AO auf den Subventionsbetrug auch nach der früheren Rechtsprechung des BFH nicht anwendbar gewesen. Eine Haftungsinanspruchnahme durch einen Haftungsbescheid gem. § 191 AO kommt auch für einen deliktischen Schadenersatzanspruch nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 1 S. 1 Abs. 2 BGB i. V. m. § 264 Abs. 1 S. 1, § 27 StGB nicht in Betracht, Der zivilrechtliche Schadensersatzanspruch kann nur zivilrechtlich und nicht durch Haftungsbescheid geltend gemacht werden.[25]

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