Rz. 7

Als Delikt der Personen nach §§ 34, 35 AO kommen nur die Steuerhinterziehung[1] in Täterschaft oder Teilnahme und die leichtfertige Steuerverkürzung[2] in Betracht. Auf andere Steuerstraftaten[3] und Steuerordnungswidrigkeiten lässt sich die Vorschrift auch nicht durch Analogie ausdehnen.[4]

[1] § 370 AO.
[3] Z. B. Steuerhehlerei wegen § 71 AO.
[4] H. M.; vgl. Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 70 AO Rz. 7; FG Düsseldorf v. 8.6.1977, IV 33/74 Z, EFG 1978, 55.

3.1.1 Steuerhinterziehung (Täterschaft, Teilnahme)

 

Rz. 8

Eine Steuerhinterziehung[1] muss tatbestandsmäßig[2], rechtswidrig und vorsätzlich schuldhaft begangen worden sein. Die Person nach §§ 34, 35 AO muss entweder ihr Täter (Allein-, Mit- oder Nebentäter) gewesen sein oder an ihr als Anstifter oder Gehilfe teilgenommen haben. Der Vorteil der Hinterziehung kann einer anderen Person zugekommen sein und sich sogar für den Vertretenen schädlich ausgewirkt haben. In diesem Fall könnte allerdings ein Haftungsausschluss nach Abs. 2 in Betracht kommen. Der Versuch einer Steuerhinterziehung reicht ebenso wenig aus wie eine – steuerstrafrechtlich zulässige[3] – Wahlfeststellung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerhehlerei.[4] § 70 AO fordert eindeutig eine Steuerhinterziehung. Eine Steuerhehlerei ist, obwohl sie ein Steuervergehen ist, nicht ausreichend, ebenso wenig eine nur versuchte Steuerhinterziehung. Auch andere Straftaten wie z. B. der Betrug und die Hehlerei reichen nicht.[5] Schwierigkeiten in der Praxis können sich aus der Aufgabe des Rechtsinstituts der fortgesetzten Tat für die Steuerhinterziehung[6] ergeben (s. auch Rz. 10).

[1] § 370 AO.
[4] Ebenso Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 70 AO Rz. 7.
[5] Jatzke, in Gosch, AO/FGO, § 70 AO Rz. 8.
[6] BGH v. 20.6.1994, 5 StR 595/93, MDR 1994, 1136.

3.1.2 Leichtfertige Steuerverkürzung

 

Rz. 9

Eine leichtfertige Steuerverkürzung[1] ist gegeben, wenn jemand als Stpfl. oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Stpfl. den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt und subjektiv bei ihm insofern Leichtfertigkeit gegeben ist. Da Stpfl. nach § 33 Abs. 1 AO jeder ist, der in eigener Angelegenheit steuerliche Pflichten zu erfüllen hat, fallen hierunter wegen § 34 Abs. 1 S. 1 AO alle unter §§ 34, 35 AO aufgeführten Personen.[2] Die leichtfertige Steuerverkürzung kann allein oder mit mehreren Beteiligten begangen worden sein. Dabei unterscheidet das hier einschlägige Ordnungswidrigkeitenrecht nicht zwischen Täterschaft und Teilnahme. Ohne Rücksicht darauf, ob bei einer Straftat eine Täterschaft oder Teilnahme (Anstiftung, Gehilfenschaft) gegeben wäre, handelt nach § 14 OWiG jeder Beteiligte ordnungswidrig. Voraussetzung ist allerdings ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der Beteiligten. Das ist auch bei fahrlässigen Taten denkbar, so dass nicht nur der Fall der Nebentäterschaft für die Haftung mehrerer Beteiligter an einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach dieser Vorschrift in Betracht kommt.[3]

[1] § 378 AO.
[3] So eng aber Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 70 AO Rz. 7; Boeker, in HHSp, AO/FGO, § 70 AO Rz. 14.

3.1.3 Ermittlungen und Entscheidung über die Voraussetzungen

 

Rz. 10

Über das Vorliegen der objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Steuerhinterziehung und der leichtfertigen Steuerverkürzung sowie der Täterschaft oder Beteiligung der unter §§ 34, 35 AO fallenden Person entscheidet die für den Erlass des Haftungsbescheids zuständige Finanzbehörde.[1] Da die Haftungsvorschrift steuerlicher Art ist, muss das Delikt nicht geahndet sein, eine Bestrafung oder Bußgeldfestsetzung ist also nicht erforderlich. Für die Ermittlungen gelten ebenso wie bei § 235 AO die steuerlichen, nicht die strafverfahrensrechtlichen Regeln. Es besteht also eine Ermittlungspflicht der Finanzbehörde. Sie betrifft für die Steuerhinterziehung bzw. die leichtfertige Steuerverkürzung das Vorliegen der objektiven und subjektiven Voraussetzungen. Im Fall der Schätzung der Steuer gelten hinsichtlich der Voraussetzungen für den Haftungstatbestand strengere Voraussetzungen als die für die Schätzung selbst. Das Finanzamt (ggf. auch das FG) muss in einem strengeren Maßstab von dem Vorliegen der Verkürzung überzeugt sein.[2] Zwar gilt hier nicht der strafrechtliche Grundsatz "in dubio pro reo", aber eine strengere Feststellungslast.[3] Die Ermittlungen der Finanzbehörde werden dadurch erschwert, dass die Rspr. das Rechtsinstitut der fortgesetzten Tat bei Steuerhinterziehungen aufgegeben hat.[4] Jede einzelne Tat muss nun ermittelt und mit ihren Folgen festgestellt werden.

Eine Bindungswirkung aus strafrechtlichen Entscheidungen besteht nicht, weder bei Verurteilung noch bei Einstellung oder Freispruch.[5] Entsprechendes gilt für die Entscheidungen im Bußgeldverfahren. M. E. ist bei einem Freispruch bzw. der Aufhebung des Bußgeldbescheids nur unter bestimmten Voraussetzungen das Treffen von Billigkeitsmaßnahmen hinsichtlich der Haftung angebracht.

Die für den Haftungsbescheid zuständige Behörde ist entg...

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