1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 235 AO regelt in Anlehnung an den früheren § 4a StSäumG die Verzinsung hinterzogener Steuern. Insoweit sind die Begründung der Zinspflicht und die Entstehung der einzelnen Zinsbeträge zu unterscheiden. Anders als etwa die Zinsen im Zusammenhang mit Rechtsbehelfsverfahren[1] wird die Zinspflicht selbst bereits mit der Hinterziehung, also vor oder gleichzeitig mit dem Beginn des Zinslaufes, begründet. Die Höhe der Zinsen ergibt sich dann aus dem Zinslauf.[2]

 

Rz. 2

Durch die Verzinsung hinterzogener Steuern sollen dem Nutznießer einer Steuerhinterziehung der steuerliche Vorteil der verspäteten Zahlung oder der Gewährung oder Belassung von Steuervorteilen genommen werden.[3] Zum Teil ergibt sich eine Verzinsung zwar schon aus § 233a AO, der aber wegen des unterschiedlichen Beginns des Zinslaufs nicht ausreicht. Die Hinterziehungszinsen können daher auch nach dem Tod des Stpfl. festgesetzt werden, zu dessen Vorteil die Steuerhinterziehung begangen worden ist.[4]

 

Rz. 3

Durch die Ausnahmeregelung des Abs. 3 S. 2 wird jedoch erreicht, dass für die Zeit der Hinterziehung neben den Hinterziehungszinsen nicht noch Säumniszuschläge und anderen Zinsen erhoben werden. Da die Hinterziehungszinsen ab einer hypothetischen normalen Fälligkeit entstehen (Abs. 2) und nicht erst ab Fälligkeit nach der Festsetzung, ergibt sich häufig eine Überschneidung mit den Nachforderungszinsen nach § 233a AO. In diesen Fällen bleiben die Hinterziehungszinsen erhalten und sind – trotz früherer Festsetzung der Nachforderungszinsen – noch festzusetzen. Auf die Hinterziehungszinsen sind allerdings gem. § 235 Abs. 4 AO die Nachforderungszinsen nach § 233a AO anzurechnen.

 

Rz. 4

Die Erhebung von Hinterziehungszinsen bedeutet keine Strafmaßnahme. Gegenüber § 73 StGB, der einen Verfall des aus der Tat erlangten Vermögensvorteils vorsieht, ist § 235 AO keine vorrangige Spezialvorschrift. Beim Verfall der durch die Tat gezogenen Nutzungen nach § 73 Abs. 2 StGB sind allerdings die tatsächlich erhobenen Hinterziehungszinsen abzuziehen. Auch ist der durch die Hinterziehungszinsen abgedeckte Zinsvorteil bei der Strafzumessung auszuklammern. Die hieran anknüpfende Auffassung[5], auf die Regelung hätte im Hinblick auf die Berücksichtigung des Zinsvorteils bei der Strafzumessung verzichtet werden können, übersieht, dass längst nicht jede bekanntwerdende Steuerhinterziehung zu einer Bestrafung führt. Zur Frage der Verzinsung ungerechtfertigt erwirkter Steuervergütungen und solcher Subventionen, die wie Steuervergütungen behandelt werden, vgl. Rz. 3.

 

Rz. 5

Gegenstand der Verzinsung sind die hinterzogenen Steuern i. S .d. § 3 Abs. 1 AO. Auf Zölle[6] kann § 235 AO nur angewendet werden, soweit kein Fall des Art. 114 Abs. 2 UZK vorliegt.[7] Auch Steuervorauszahlungen[8], Steuervergütungen (z. B. Kindergeld[9]) und diesen gleichstehende Zulagen und Prämien[10] sowie der Solidaritätszuschlag[11] sind Steuern, sodass diese im Fall einer vollendeten Steuerhinterziehung zu verzinsen sind.

Auf eine erschlichene Investitionszulage[12] und Eigenheimzulage[13] ist § 235 AO nicht anzuwenden, weil insoweit ein Subventionsbetrug und keine Steuerhinterziehung vorliegt.

 

Rz. 6

Bei Vorauszahlungen soll § 235 AO erfüllt sein, wenn

  • der Stpfl. einen Antrag auf Festsetzung oder Herabsetzung der Vorauszahlungen vorsätzlich mit unrichtigen oder unvollständigen Angaben gestellt hat und es hierdurch zu einer niedrigen Festsetzung von Vorauszahlungen gekommen ist oder
  • der Stpfl. aufgrund einer vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung mit einer zu niedrigen Vorauszahlung rechnen musste. Dies ist vor allem der Fall, wenn er bereits in der Vergangenheit Steuervorauszahlungen zu leisten hatte.

Eine Zäsur des Zinslaufes im Hinblick auf den Zeitpunkt des Erlasses des Jahressteuerbescheids ist gesetzlich nicht vorgesehen.[14] Auch im Fall der vorläufigen Festsetzung oder Festsetzung unter Vorbehalt kann eine vollendete Steuerhinterziehung vorliegen.[15] Steuern können ebenso durch Verkürzung einer Haftungsschuld oder Bewirkung einer ungerechtfertigten Steuererstattung hinterzogen werden[16]; insoweit ist der Erlass eines Haftungsbescheids erforderlich.

 

Rz. 7

Keine Verzinsungspflicht nach § 235 AO besteht für den bloßen Versuch einer Steuerhinterziehung, Anstiftung und Beihilfe sowie im Fall einer fehlenden Nachforderung. Von § 235 AO nicht erfasst werden Eingangsabgaben anderer Staaten, die nach § 370 Abs. 6 AO Gegenstand einer Steuerhinterziehung sein können; diese haben wegen des Wortlauts des § 235 AO keine Zinspflicht zur Folge. § 235 AO setzt die Hinterziehung von Steuern voraus. Eine Hinterziehung steuerlicher Nebenleistungen ist schon wegen § 233 S. 2 AO nicht möglich.

 

Rz. 8

Zeitlich: Hinterzogene Steuern nach dem 31.12.1976 sind gem. Art. 97 § 15 Abs. 1 S. 1 EGAO nach § 235 AO anzufordern.[17] Der durch das SteuerreformG 1990 eingefügte Abs. 4 des § 235 AO gilt nach Art. 97 § 15 Abs. 4 EGAO für Ansprüche, die nach dem 31.12.1988 entstehen. Nach Art. 97 § 15 Abs. 6 EGAO...

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