Rz. 26

Sichergestellt werden können Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können .[1] Ausreichend ist also als einzige Voraussetzung die potenzielle Beweisbedeutung des Gegenstands.[2] Die Sicherstellung ist die Herstellung der staatlichen Gewalt über einen Gegenstand; wird der entsprechende Gegenstand nicht freiwillig herausgegeben, bedarf es einer formellen Sicherstellung, dies ist die Beschlagnahme, § 94 Abs. 2 StPO. Angeordnet wird die Beschlagnahme durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen, § 98 Abs. 1 StPO. Ebenso wie der Durchsuchungsbeschluss verliert eine richterliche Beschlagnahmeanordnung ihre rechtfertigende Wirkung spätestens nach Ablauf eines halben Jahres, wenn die Beschlagnahme nicht innerhalb dieser Frist erfolgt ist.[3] Ergeht der Beschlagnahmebeschluss zusammen mit dem Durchsuchungsbeschluss, was zulässig ist, müssen die zu beschlagnahmenden Gegenstände so konkret wie möglich bezeichnet werden. Bezeichnungen bloß der Gattung nach oder die Allgemeinformel "aufgefundenes Beweismaterial ist zu beschlagnahmen" sind nicht ausreichend. Da die Beschlagnahme nicht zur Umgehung der Zeugnisverweigerungsrechte genutzt werden darf, normiert § 97 StPO eine Reihe von Beschlagnahmeverboten, die an die Zeugnisverweigerungsrechte in §§ 52, 53, 53a StPO anknüpfen. Aus einer unzulässigen Beschlagnahme folgt kein Verwertungsverbot[4], es sei denn, der Tatverdacht ergibt sich erst aus der unzulässigen Beschlagnahme.[5] Die Beschlagnahme erlischt mit der (nicht nur vorläufigen) Einstellung oder mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens ohne Weiteres. Aber auch schon vorher kann die Beschlagnahme durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft bzw. die Bußgeld- und Strafsachenstelle aufgehoben werden, wenn ihre Notwendigkeit entfällt. An welchem Ort die Gegenstände nach Aufhebung der Beschlagnahme zurückzugeben sind, ist streitig. Unter Hinweis auf die Verpflichtung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands wird vertreten, die Strafverfolgungsbehörde habe die Sache am Ort der Beschlagnahme[6] oder noch weitergehend auch an einem neuen Wohnsitz des Beschuldigten zurückzugeben.[7] Dies ist jedoch abzulehnen. Es besteht keine Bringschuld beschlagnahmter oder sichergestellter Gegenstände, da durch die staatliche Inobhutnahme ein öffentlich-rechtliches Verwahrverhältnis begründet wird, in dessen Folge die Rückgabe sich nach § 697 BGB richtet und an dem Ort erfolgt, an dem die Sache aufbewahrt wird.[8] Dies gilt auch dann, wenn die Sachen nicht beschuldigter Dritter nach Aufhebung der Beschlagnahme herausgegeben werden.[9] Die Auswertung von Beweismitteln und damit die Beschlagnahme können sich durchaus über einen längeren Zeitraum erstrecken. Eine Frist, binnen derer die Durchsicht der Asservate beendet sein muss, findet sich im Gesetz nicht. Allerdings ist hierbei die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Zu verlangen ist stets, dass die Ermittlungsbehörden unter Beachtung des Umfangs der Beweismittel auf der einen Seite und des Gewichts der Tatvorwürfe auf der anderen Seite die Durchsicht zügig vornehmen und ggf. auch während der laufenden Maßnahme nicht mehr benötigte Asservate zurückgeben.[10] Die Verbringung von Gegenständen aus dem Gewahrsam des Betroffenen in die Obhut der staatlichen Gewalt kann jedoch nur dann auf der Grundlage des § 94 StPO erfolgen, wenn zum Zeitpunkt der Mitnahme die potenzielle Beweisbedeutung festgestellt wurde. Ist dies aufgrund der Menge nicht möglich, muss eine vorläufige Sicherstellung zum Zweck der Durchsicht nach § 110 StPO ausgesprochen werden. Der Betroffene kann dagegen jederzeit die richterliche Entscheidung gem. § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog beim zuständigen Amtsgericht beantragen.[11] Bei Unterlagen, die zur Fortführung eines Betriebs unabdingbar sind, kann sich ein Anspruch auf Aushändigung von Fotokopien ergeben.[12] Bei umfangreichen Hinterziehungsvorwürfen, zumal im Zusammenhang mit Fahndungsaktionen bei Banken (vgl. Rz. 47), können auch Auswertungszeiträume von mehr als einem Jahr angemessen sein.[13]

[2] Köhler, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 94 StPO Rz. 6 m. w. N.
[3] LG Neuruppin v. 11.7.1997, 14 Qs 59 Js 315/96, NStZ 1997, 563.
[4] BGH v. 28.3.1973, 3 StR 385/72, BGHSt 25, 168.
[6] Damrau, NStZ 2003, 408, 410.
[7] Hoffmann/Knierim, NStZ 2000, 461
[10] LG Köln v. 17.5.2002, 109 Qs 219/02, StV 2002, 413.
[11] Graulich, wistra 2009, 299, 301.
[12] Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 385 AO Rz. 330 m. w. N.; a. M. Sieg, ­wistra 1984, 172; jedenfalls nicht kostenlos: Köhler, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 94 StPO Rz. 18.
[13] LG Frankfurt/Main v. 4.9.1996, 5/29 Qs 16/96, NStZ 1997, 564.

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