3.1 Bedeutung der Vorschrift

 

Rz. 17

§ 398 AO enthält speziell für Steuerstraftaten einen historisch bedingten Sonderfall der Verfahrenseinstellung.[1] § 398 AO ist rechtlich unabhängig von der Regelung des § 153 StPO (Rz. 4), allerdings ergeben sich bei Steuerstraftaten hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen bzw. Einstellungsfolgen keine praktischen Unterschiede.[2] Beide Vorschriften ermöglichen es den Strafverfolgungsbehörden, bei Steuerstraftaten, deren Folgen letztlich gering geblieben sind, ohne richterliche Zustimmung eine Verfahrenseinstellung vorzunehmen. Die Bedeutung des § 398 AO ist heute durch § 153 StPO, der ebenfalls für alle Steuerstraftaten gilt (Rz. 5), faktisch gering.[3]

 

Rz. 18

Wird ein Strafverfahren nach § 398 AO eingestellt, so kann die Strafverfolgungsbehörde die Ermittlungen jederzeit wieder aufnehmen. Wie bei § 153 StPO bewirkt die Einstellung kein Verfahrenshindernis i. S. eines Verbrauchs der Strafklage.[4]

[1] Ausf. Quedenfeld, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, Vor § 397 AO Rz. 38, § 398 AO Rz. 1; Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 398 AO Rz. 1–6; Klein/Jäger, AO, 16. Aufl. 2022, § 398 Rz. 1; Pflaum, in MüKoStPO, 1. Aufl. 2018, § 398 AO Rz. 1, 6.
[2] Klein/Jäger, AO, 16. Aufl. 2022, § 398 Rz. 2; Peters, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 398 AO Rz. 13; Quedenfeld, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 398 AO Rz. 17.
[3] Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 153 StPO Rz. 20; Quedenfeld, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 398 AO Rz. 1.
[4] Rz. 4a; Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 398 AO Rz. 35.

3.2 Anwendungsbereich des § 398 AO

 

Rz. 19

Die Einstellungsbefugnis nach § 398 AO besteht nur für solche Steuerstrafverfahren, die ausschließlich wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung nach § 370 AO, einschließlich des gewerbsmäßigen, gewaltsamen oder bandenmäßigen Schmuggels nach § 373 AO, der Steuerhehlerei nach § 374 AO sowie der Begünstigung nach § 257 StGB[1] oder einer der in § 375 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AO genannten Straftaten geführt werden.

Strafverfahren wegen des Verdachts auf andere Steuerstraftaten können nicht nach § 398 AO eingestellt werden, sofern nicht gesetzlich die Anwendbarkeit geregelt ist. Die analoge Anwendung der Bestimmung ist mangels Regelungslücke im Gesetz ausgeschlossen.[2] Hier bleibt für die Einstellung nur der Weg über § 153 StPO.

Auch bei tateinheitlichem Zusammentreffen von Steuerdelikten mit Nichtsteuerstraftaten besteht allein die Möglichkeit, nach § 153 StPO zu verfahren.[3]

 

Rz. 20

Für die Anwendung des § 398 AO ist die Form der Tatbeteiligung[4] unerheblich.[5]

Unerheblich für die Anwendung des § 398 AO ist ebenso das Stadium der Tatverwirklichung.[6] Nach § 398 AO kann sowohl eine vollendete[7] als auch eine versuchte Steuerhinterziehung[8] eingestellt werden.[9]

Unerheblich für die Anwendung des § 398 AO ist, ob eine einfache Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO oder eine Erweiterung des Strafrahmens in einem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 AO[10] vorliegt, allerdings werden insoweit die übrigen inhaltlichen Anforderungen des § 398 AO regelmäßig nicht erfüllt sein.[11]

[2] Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 398 AO Rz. 11; Pflaum, in MüKoStPO, 1. Aufl. 2018, § 398 AO Rz. 2.
[5] Quedenfeld, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 398 Rz. 2; LG Aachen v. 27.8.2014, 86 Qs 11/14, PStR 2014, 273 = wistra 2014, 493.
[7] Webel/Dumke, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 370 AO Rz. 77.
[9] Quedenfeld, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 398 Rz. 2.
[11] Vgl. Rz. 7a; Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 398 AO Rz. 14; Quedenfeld, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 398 Rz. 2.

3.3 Einstellungsbefugnis nach § 398 AO

 

Rz. 21

Die Einstellungsbefugnis nach § 398 AO besteht zunächst für die Staatsanwaltschaft. In den Fällen, in denen die Finanzbehörde i. S. v. § 386 AO nach § 399 AO die Ermittlungen in eigener Zuständigkeit führt, obliegt dieser die entsprechende Entscheidung.[1]

Für solche Einstellungsentscheidungen der Finanzbehörde sind demgemäß ausschließlich Bußgeld- und Strafsachenstellen zuständig, die hier die staatsanwaltschaftlichen Befugnisse allein ausüben.[2] Die Steuer- oder Zollfahndungsstellen dürfen das Steuerstrafverfahren nicht einstellen.[3] Dies schließt nicht aus, dass Steuer- bzw. Zollfahnder in ihren Abschlussvermerken bzw. -berichten eine diesbezügliche Anregung niederlegen. Bindende Zusagen gegenüber den Beschuldigten können sie hingegen nicht abgeben.

Strafgerichte dürfen von § 398 AO nicht Gebrauch machen. Sie müssen ggf. a...

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