Rz. 105

§ 39 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 AO wurde durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz v. 22.12.2023[1] mit Wirkung vom 1.1.2024 in das Gesetz eingefügt. Er trägt ebenso wie die Änderung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 AO der zum selben Zeitpunkt erfolgten Neuregelung des Personengesellschaftsrechts durch das MoPeG v. 10.8.2021[2] Rechnung. Danach sind rechtsfähige Personengesellschaften[3] nicht mehr – wie nach § 719 BGB a. F. – als Gesamthandsgemeinschaften verfasst, sondern selbst Träger des durch die Beitragsleistungen der Gesellschafter und die Teilnahme am Rechtsverkehr erworbenen Vermögens sowie Schuldner der dadurch begründeten Verbindlichkeiten.[4]

 

Rz. 106

Änderungen an den ertragsteuerlichen Grundsätzen, insbesondere der transparenten Besteuerung von Personengesellschaften, sollten nach Vorstellung des Gesetzgebers mit dieser Änderung nicht verbunden sein.[5]

In der Literatur wird demgegenüber die Auffassung vertreten, dass mit der Abschaffung des Gesamthandsprinzips die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Kapital- und Personengesellschaft entfallen sei.[6] Das BVerfG habe die Abschirmung der Vermögenssphäre einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern als sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften genannt. Diese Abschirmung bewirke, dass in der abgeschirmten Vermögenssphäre eine eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit entstehe, die von der individuellen und subjektiven Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen getrennt und unabhängig von ihr besteuert werden dürfe.[7] Durch die mit dem MoPeG vollzogene Verselbständigung der Personengesellschaft und ihres Vermögens sei der sich daraus ergebende Unterschied zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften entfallen, sodass sich das für die Personengesellschaft geltende Transparenzprinzip – d. h. die Zurechnung der von ihr erzielten Einkünfte auf die Gesellschafter unabhängig davon, ob diese ausgeschüttet werden oder nicht – nicht mehr begründen lasse.[8]

Dem wird allerdings entgegengehalten, dass das BVerfG die bei Kapitalgesellschaften stattfindende "Abschirmung der Vermögenssphären" nicht als den alleinigen oder auch nur ausschlaggebenden, sondern nur als "einen" möglichen Grund für die unterschiedliche Behandlung von Kapital- und Personengesellschaften im Ertragsteuerrecht angesehen habe.[9] Die Struktur der Personengesellschaften habe sich durch das MoPeG nicht geändert; ihre prägenden, sie von den Kapitalgesellschaften unterscheidenden Merkmale seien durch die Reform sogar noch betont worden. So halte der Gesetzgeber nicht nur an der Selbstorganschaft fest[10], sondern schreibe die persönliche Gesellschafterhaftung[11], die Unzulässigkeit eigener Anteile[12] und das Erlöschen beim Wegfall des vorletzten Gesellschafters[13] ausdrücklich fest.[14] Auch die nach der Gesetzesbegründung "eng mit dem Gesamthandsprinzip verbundene" Frage, wie sich das Ausscheiden eines Gesellschafters auf die Beteiligungsverhältnisse auswirke, werde so beantwortet, dass der Anteil des Ausscheidenden nicht (wie bei Kapitalgesellschaften) zunächst erhalten bleibe, sondern auf die verbleibenden Gesellschafter übergehe.[15] An alldem zeige sich, dass die rechtsfähige Personengesellschaft weiterhin "gegenüber ihren Gesellschaftern nicht vollständig rechtlich verselbständigt sei"[16] und nicht zur juristischen Person werde.[17] Das Steuerrecht sei daher nicht gehindert, die Personengesellschaft weiterhin unter "seinen" Begriff der Gesamthand zu subsumieren.[18]

Dieser Beurteilung ist u. E. zu folgen. Dem Gesetzgeber steht bei der Ausgestaltung des Unternehmenssteuerrechts ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dies gilt insbesondere für die Grenzziehung zwischen transparenter und intransparenter Besteuerung, die nicht nur im deutschen Steuerrecht, sondern auch im Steuerrecht vieler anderer Staaten[19] anzutreffen ist. Selbst wenn unter rechtstatsächlichen Gesichtspunkten manches dafür sprechen mag, diese Grenzziehung anhand einer Unterscheidung zwischen personalistisch geprägten Gesellschaften vorzunehmen, dürfte es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden zu sein, unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit an die Rechtsform anzuknüpfen, in der die Gesellschaft betrieben wird.[20] Dies gilt umso mehr, als der zum 1.7.2021 in Kraft getretene § 1a KStG Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften die Möglichkeit der Option zur KStG eröffnet.

 

Rz. 106

Die in § 39 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 AO getroffene Regelung, dass rechtsfähige Personengesellschaften als Gesamthand und deren Vermögen für Zwecke der Ertragsbesteuerung als Gesamthandsvermögen gelten, hat daher nur redaktionelle Bedeutung: Soweit in ertragsteuerlichen Vorschriften von Gesamthandsvermögen gesprochen wird, ist dies bei rechtsfähigen Personengesellschaften dahingehend zu verstehen, dass damit das Vermögen der Gesellschaft in Abgrenzung zum Vermögen der einzelnen Gesellschafter (Sonderbetriebsve...

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