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Die Bezeichnung einer Vereinbarung als "Treuhandvertrag" reicht für die Anerkennung eines Treuhandverhältnisses i. S. d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO nicht aus. Aus den schuldrechtlichen Vereinbarungen muss sich vielmehr eindeutig ergeben, dass die mit der rechtlichen Eigentümer- bzw. Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht im Innenverhältnis zugunsten des Treugebers in einem Maße eingeschränkt ist, dass das rechtliche Eigentum bzw. die rechtliche Inhaberschaft als "leere Hülle" erscheint. Der Treugeber muss das Treuhandverhältnis beherrschen.[1]

Wesentliches und im Grundsatz unverzichtbares Merkmal einer solchen Beherrschung ist die Weisungsbefugnis des Treugebers – und damit korrespondierend die Weisungsgebundenheit des Treuhänders – in Bezug auf die Behandlung des Treuguts.[2] Zudem muss der Treugeber berechtigt sein, jederzeit die Rückgabe des Treuguts zu verlangen[3], wobei die Vereinbarung einer angemessenen Kündigungsfrist unschädlich ist.[4]

Die Vereinbarung eines Treuhandentgelts ist nicht notwendige Bedingung, kann aber ein Anzeichen für das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses sein.[5]

Besonderheiten gelten bei einer Doppeltreuhand, bei der der Treuhänder gleichzeitig die widerstreitenden Interessen mehrerer Personen wahrzunehmen hat. So verhält es sich z. B., wenn ein Arbeitgeber Vermögen treuhänderisch auf einen Dritten überträgt, um Pensionsverpflichtungen gegenüber seinen Arbeitnehmern gegen das Risiko der Insolvenz zu sichern. Da es in diesem Fall mit dem Sicherungszweck der Treuhand unvereinbar wäre, wenn der Treugeber vor der Zweckerreichung eine jederzeitige Rückgabe des Treuguts verlangen könnte, reicht es für die Anerkennung des Treuhandverhältnisses aus, wenn eine Herausgabe des Übererlöses an den Treugeber vereinbart wird.[6] Ein steuerrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis kann auch nach Eintritt des Sicherungsfalls vorliegen.[7]

Nicht abschließend geklärt ist, ob die steuerliche Anerkennung eines Treuhandverhältnisses die zivilrechtliche Wirksamkeit der Treuhandvereinbarung voraussetzt. Die Rspr. des BFH bietet ein uneinheitliches Bild. Während einzelne Entscheidungen verlangen, dass das Treuhandverhältnis auf zivilrechtlich wirksam abgeschlossenen Vereinbarungen beruht[8], lassen andere es genügen, dass die Vereinbarung inhaltlich den Anforderungen an eine Treuhandabrede entspricht und die – einander nicht nahestehenden – Vertragsparteien diese nachweislich in vollem Umfang tatsächlich durchgeführt haben.[9] Auch in der Literatur sind die Auffassungen geteilt.[10] Soweit es sich bei den Beteiligten nicht um einander nahestehende Personen handelt, besteht u. E. kein Grund, von dem in § 41 Abs. 1 S. 1 AO normierten Grundsatz abzuweichen, dass die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts für die Besteuerung unerheblich ist, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis eintreten und bestehen lassen. Der dagegen erhobene Einwand, dass es bei einer zivilrechtlich unwirksamen Treuhandvereinbarung an der Beherrschbarkeit des Treuhandverhältnisses durch den Treugeber fehle[11], vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil die zivilrechtliche Unwirksamkeit den Beteiligten vielfach überhaupt nicht bewusst sein wird.[12] Andererseits kann die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Form, insbesondere bei klarer Zivilrechtslage, ein Indiz gegen die Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarung darstellen.[13]

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