Rz. 12

Gem. § 1 Abs. 1 OWiG kann ein Verhalten nur dann als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden, wenn der Täter vorwerfbar gehandelt hat. Sachlich entspricht der im OWiG verwendete Begriff der "Vorwerfbarkeit" der im Strafrecht gebräuchlichen Terminologie der "Schuld". Die begriffliche Differenzierung liegt darin begründet, dass der "Schuld" das Element der "sozialethischen Missbilligung" innewohnt, das im Ordnungswidrigkeitenrecht fehlt.[1]

Vorwerfbares Handeln ist nicht stets, aber doch regelmäßig gegeben, wenn der Täter vorsätzlich oder fahrlässig[2] einen Bußgeldtatbestand verwirklicht. So regelt § 10 OWiG, dass grundsätzlich nur vorsätzliches Verhalten als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann. Für Leichtfertigkeit[3] oder (einfache) Fahrlässigkeit[4] enthält die AO ausdrückliche Regelungen. Erteilt ein Rechtsanwalt oder Steuerberater irrig einen unrichtigen Rechtsrat und löst dadurch die Verwirklichung eines Bußgeldtatbestands aus, so liegt i. d. R. kein vorsätzlicher Tatbeitrag vor.[5]

 

Rz. 13

Die Vorwerfbarkeit entfällt hingegen bei

  • Fehlen der Verantwortlichkeit des Täters[6] sowie
  • Vorliegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums.[7]

Vorwerfbares Verhalten scheidet gem. § 12 Abs. 1 OWiG somit aus, wenn der Täter bei Begehung der Tat noch nicht 14 Jahre alt ist oder im Falle von krankhaften seelischen Störungen, tiefgreifenden Bewusstseinsstörungen oder Schwachsinn und anderen seelischen Abartigkeiten, vgl. § 12 Abs. 2 OWiG. Im Hinblick auf Jugendliche (14 bis 17 Jahre) gilt § 3 Abs. 1 JGG, sodass für sie eine bußgeldrechtliche Verfolgung von ihrer Einsichtsfähigkeit abhängt. Bei Personen zwischen dem 18. und dem 21. Lebensjahr, sog. Heranwachsenden i. S. d. § 1 Abs. 2 JGG, differenziert das Ordnungswidrigkeitenrecht nicht wie das allgemeine Strafrecht, sodass insoweit die Differenzierungsmöglichkeit gem. §§ 105, 106 JGG nicht existiert.

Zur Irrtumsproblematik vgl. Rz. 30ff.

[1] BegrEOWiG, BT-Drs. V/1269, 46; Göhler/Gürtler, OWiG, 17. Aufl. 2017, Vor § 1 OWiG Rz. 30; Heuel, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 59. Lfg. 11/2017, § 377 AO Rz. 80.
[3] Vgl. z. B. § 378 AO.
[4] Vgl. z. B. § 379 Abs. 3 AO.
[5] Vgl. Rz. 31; ebenso OLG Düsseldorf v. 6.9.1983, 5 Ss (OWi) 307/83 – 275/83 I, NStZ 1984, 29; Göhler/Gürtler, OWiG, 17. Aufl. 2017, § 14 OWiG Rz. 3; Klein/Jäger, AO, 13. Aufl. 2016, § 377 Rz. 12.

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