2.4.4.1 Grundlagen

 

Rz. 341

Der Nachentrichtungspflichtige hat gem. § 371 Abs. 3 AO die für ihn aus der Tat begründete Nachentrichtungspflicht (Rz. 309) innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist zu erfüllen. Die Nachentrichtungspflicht bedarf – unabhängig von ihrem Rechtscharakter (vgl. Rz. 345ff.) – der inhaltlichen Konkretisierung in einer Aufforderung zur Leistungserbringung. Bevor und soweit diese Aufforderung zur Leistungserbringung durch die zuständige Stelle (Rz. 72ff.) nicht erfolgt ist, besteht die gesetzliche Anwartschaft auf Straffreiheit.

 

Rz. 342

An die Aufforderung zur Leistungserbringung sind – über den Wortlaut des § 371 Abs. 3 AO hinaus, der nur die Fristsetzung erwähnt – einem Leistungsgebot nach § 254 AO vergleichbare Anforderungen zu stellen. Der Nachentrichtungspflichtige muss in die Lage versetzt werden, seine Pflicht zu erfüllen, d. h., ihm muss zweifelsfrei mitgeteilt werden, welchen Betrag er für welche Steuerart und ggf. welchen Besteuerungszeitraum an welche Finanzbehörde bis zu welchem Zeitpunkt auf welches Konto zu entrichten hat.

 

Rz. 343

Die Nachentrichtungspflicht beginnt mit der Bekanntgabe der Aufforderung zur Leistungserbringung. Für die Fristberechnung gelten die Bestimmungen des BGB.[1]

 

Rz. 344

Eine Hinweispflicht auf die strafrechtlichen Konsequenzen einer unzureichenden Erfüllung oder der Nichterfüllung besteht nach § 371 Abs. 3 AO nicht. Der Hinweis ist zwar üblich und sachgerecht[2], das Unterlassen eines solchen Hinweises hat aber für den Eintritt der strafrechtlichen Folgen keine Bedeutung.[3]

[2] Nr. 11 Abs. 5 S. 1 AStBV (St) 2017.
[3] Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 371 AO Rz. 161; Beckemper, in HHSp, AO/FGO, 245. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 104 und 245. Lfg. 11/17 und Blesinger, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 371 AO Rz. 29 nehmen unter Hinweis auf die AStBV (St) eine Dienstpflicht an; vgl. auch Lohmeyer, StB 1982, 301.

2.4.4.2 Rechtsnatur der Nachentrichtungsfrist

 

Rz. 345

Die Rechtsnatur der aus § 371 Abs. 3 AO folgenden Nachentrichtungspflicht ist in der Lit. umstritten. Der Meinungsstreit wirkt sich vornehmlich im Rahmen der Fristsetzung (Rz. 348ff.) aus.

Es wird einerseits die Ansicht vertreten, dass es sich in der Nachentrichtungsfrist um eine steuerliche Frist handle.[1] Diese Ansicht hat – bei konsequenter Durchführung – den Vorteil der Rechtsklarheit. Denn es ist nur eine einheitliche Frist maßgebend. Der Stpfl. kommt nicht in die schwer verständliche Situation, dass er strafrechtlich etwas entrichten muss, was er steuerrechtlich nicht (z. B. mangels Festsetzung) oder noch nicht (z. B. bei Stundung oder Aussetzung der Vollziehung) zu leisten hat.

 

Rz. 346

Andererseits wird die Ansicht vertreten, dass infolge der Einordnung der Vorschrift in § 371 AO und der strafrechtlichen Auswirkungen die Nachentrichtungspflicht einen strafrechtlichen Rechtscharakter habe. Diese Ansicht überwiegt im Schrifttum eindeutig[2] und ist von der Rspr. übernommen worden.[3]

 

Rz. 347

Letzterer Ansicht ist zuzustimmen. Der staatliche Strafanspruch ist nicht absolut, so kann z. B. im Rahmen des § 153a StPO auf die Durchsetzung verzichtet werden, indem durch das Gericht dem Tatbeteiligten die Schadenswiedergutmachung auferlegt wird. An dem strafrechtlichen Charakter dieser Auflage gem. § 153a StPO bestehen keine Zweifel. Die Nachentrichtungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO ist inhaltlich einer solchen Auflage ähnlich, nur dass sie bereits als solche im Gesetz bestimmt ist. Darüber hinaus ist die Fristsetzung kein Bestandteil des steuerlichen Verfahrens, sondern sie erfolgt als Teil des regelmäßig aufgrund der Selbstanzeige eingeleiteten Strafverfahrens.

 
Praxis-Beispiel

Der Stpfl. T hat Steuern hinterzogen, indem er in seiner Einkommensteuererklärung 2016 einige Einnahmen nicht erklärt hat. Nachdem er den unzutreffenden Steuerbescheid erhalten hat, gibt er eine vollständige Selbstanzeige ab. Daraufhin ergeht ein nun zutreffender Steuerbescheid für die ESt 2016. Als der T die sich aus diesem Bescheid ergebende Steuer innerhalb der gesetzten Zahlungsfrist nicht entrichtet, gibt das Festsetzungsfinanzamt den Fall an die Bußgeld- und Strafsachenstelle mit dem Hinweis ab, dass T keine Straffreiheit mehr erlangen könne, da er nicht fristgerecht nachgezahlt habe.

Die von Seiten des Festsetzungsfinanzamt geäußerte Ansicht ist unzutreffend, da es sich bei der vom FA gesetzten Frist um eine ausschließlich steuerliche Frist handelt. Die strafrechtliche Frist des § 371 Abs. 3 AO kann hingegen ausschließlich von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden – hier also von der Bußgeld- und Strafsachenstelle (vgl. dazu Rz. 348ff.) – gesetzt werden. Mithin ist eine solche Frist im vorliegenden Fall nun erstmalig zu setzen und erst wenn der T auch diese Frist versäumt, verliert er seine Anwartschaft auf Straffreiheit.

[1] So noch Rüping, in HHSp, AO/FGO, 230. Lfg. 11/14, § 371 AO Rz. 112; Wassmann, ZfZ 1990, 40, 43.
[2] Klein/Jäger, AO, 15. Aufl. 2020, § 371 Rz. 225; Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Auf...

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