Rz. 335

Durch das in § 370 Abs. 4 S. 3 AO geregelte sog. Kompensationsverbot besteht die Möglichkeit, dass eine strafbare Steuerhinterziehung vorliegt, obgleich materiell-rechtlich trotz der Tathandlung kein Taterfolg, also keine Verkürzung eingetreten oder der Steuervorteil nicht ungerechtfertigt erlangt worden ist. Nach § 370 Abs. 4 S. 3 AO liegt nämlich ein strafrechtlich relevanter Verkürzungserfolg auch dann vor, wenn die Steuer aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder ein Steuervorteil hätte beansprucht werden können. Die jeweiligen Minderungsgründe werden nicht in die Berechnung des verkürzten Steuerbetrags bzw. des Steuervorteils einbezogen, sondern nur im Bereich der Strafzumessung berücksichtigt.[1]

Das Kompensationsverbot findet hingegen im Rahmen des § 371 Abs. 3 S. 1 AO keine Anwendung.[2] Dies ergibt sich aus dem Schadensausgleichsgedanken des § 371 Abs. 3 S. 1 AO. Dem Nachentrichtungspflichtigen würde sonst aus der Selbstanzeige ein strafrechtlicher Nachteil erwachsen, wenn er für die Erlangung der Straffreiheit einen fiktiven steuerlichen Schaden ausgleichen sollte, der steuerlich nicht geltend gemacht werden könnte. Darüber hinaus müsste der Fiskus sonst auch die erhaltenen Steuerbeträge zurückerstatten, da er keinen Rechtsgrund zum Behaltendürfen hat.

 
Praxis-Beispiel

Der Unternehmer hat eine Steuerhinterziehung begangen, indem er vorsätzlich keine USt-Jahreserklärung abgegeben hat. Die zutreffende USt beträgt 50.000 EUR, die Vorsteuer 45.000 EUR, sodass sich eine Zahllast i. H. v. 5.000 EUR ergibt.

Würde das Kompensationsverbot anwendbar sein, müßte der Unternehmer zur Erlangung der Straffreiheit den Gesamtbetrag von 50.000 EUR an das FA entrichten, dann aber in der Folge vom FA eine Erstattung von 45.000 EUR erhalten. Um ein solches sinnloses Vorgehen zu vermeiden, findet das Kompensationsverbot insoweit keine Anwendung und es ist allein auf die sich ergebende Zahllast abzustellen. Folglich erlangt der Unternehmer durch die Zahlung von 5.000 EUR vollständige Straffreiheit.

[2] Beckemper, in HHSp, AO/FGO, 245. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 117; Klein/Jäger, AO, 15. Aufl. 2020, § 371 Rz. 216; Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 371 AO Rz. 149.

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