Rz. 139

Der Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO knüpft die Begründung der Nachentrichtungspflicht (Rz. 123) nur an den Eintritt des Taterfolgs. Strafrechtlich ist dies insofern konsequent, als der nachträgliche Wegfall des Taterfolgs den Strafanspruch nicht berührt. Die Nachentrichtungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO ist aber keine zusätzliche strafrechtliche Sanktion. Die Straffreiheit wird in Aussicht gestellt, um den Anreiz zu geben, eine bisher nicht bekannte Steuerquelle zu erschließen (Rz. 3). § 371 AO bezweckt den Schadensausgleich, aber nicht eine finanzielle Mehrbelastung des Tatbeteiligten.

 

Rz. 140

Die Nachentrichtungspflicht (Rz. 123) nach § 371 Abs. 3 AO ist demgemäß – als ungeschriebenes gesetzliches Tatbestandsmerkmal – abhängig vom Bestehen des steuerlichen Anspruchs[1]. Entscheidend ist hierbei der materielle Bestand des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis. Sie ist jedoch nicht abhängig – in Abweichung zur Formulierung des § 395 Abs. 3 RAO[2] – von dessen Festsetzung im Besteuerungsverfahren durch Steuer- oder Haftungsbescheid[3] und damit dessen steuerlicher Fälligkeit[4]. Bei freiwilliger vorzeitiger Tilgung des Anspruchs entfällt notwendig die Nachentrichtungspflicht[5].

 

Rz. 141

Für die Frage, von welchem Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis bei der Steuerhinterziehung zugunsten Dritter auszugehen ist, ist zu unterscheiden:

  • Nach der hier vertretenen Ansicht, dass der Begriffsinhalt "zu seinen Gunsten" steuerrechtlich zu bestimmen ist (Rz. 130), ist ausschließlich das Bestehen des eigentlichen, von der Tat betroffenen Steueranspruchs maßgeblich.
  • Bei der von der h. M. vertretenen "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" des Begriffsinhalts (Rz. 131) ist es konsequent, auf den Bestand des gegen den Tatbeteiligten bestehenden Haftungsanspruchs abzustellen. Hierbei ist zu beachten, dass die Akzessorietät des Haftungsanspruchs nach § 191 Abs. 5 S. 2 AO bei einem Erlass des Steueranspruchs nicht gegeben ist (Rz. 175).
[1] Theil, BB 1983, 1274, 1279; Rüping, in HHSp, AO/FGO, § 371 AO Rz. 102.
[2] BayObLG v. 27.4.1972, RReg 4 St 26/72, DStZ/E 1972, 287.
[3] LG Stuttgart v. 20.1.1987, 6 KLs 243/86, ­wistra 1988, 36 m. zust. Anm. Gramrich.
[4] §§ 218, 220 AO.
[5] BayObLG v. 3.11.1989, RReg 4 StR 135/89, wistra 1990, 159, 162.

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