2.1.5.3.1 Allgemeines

 

Rz. 23a

Durch das geplante neue Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten[1] werden für Straftaten, durch die Pflichten eines Unternehmens verletzt werden, neue Sanktionsmöglichkeiten eben für diese Unternehmen eingeführt und es wird in einschlägigen Fällen zu einem zweiten, parallel zum Strafverfahren ablaufenden Verfahren führen. Die Tatsache, dass neben dem (Steuer-)Strafverfahren gegen eine natürliche Person auch ein Sanktionsverfahren gegen den Verband betrieben werden wird, wird auch zu schwerwiegenden Folgen für die Selbstanzeige nach § 371 AO führen.

[1] Verbandssanktionengesetz (VerSanG), Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 21.10.2020, BT-Drs. 19/23568.

2.1.5.3.2 Ziele des Verbandssanktionengesetzes

 

Rz. 23b

Wie sich aus dem Koalitionsvertrag 2018 ergibt, soll eine Neuordnung des Sanktionsrechts für Unternehmen erfolgen, um eine wirksame Ahndung von Wirtschaftskriminalität sicherzustellen.[1] Dadurch sollen u. a. auch die Unternehmen gestärkt werden, die sich regelkonform verhalten. Den Unternehmen hingegen, die sich nicht an die bestehenden Regeln halten und sich dadurch auf Kosten der rechtstreuen Unternehmer, der Arbeitnehmer und letztendlich der Allgemeinheit einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, soll dieser Vorteil wieder entzogen und ihr Verhalten soll sanktioniert werden. Im Ergebnis soll dadurch Wirtschaftskriminalität wirksamer bekämpft und das Vertrauen in die Integrität der Wirtschaft gestärkt werden.

 

Rz. 23c

Nach Ansicht des BMJV ist die – sowohl repressive als auch präventive – Sanktionierung der Unternehmen durch das VerSanG bei Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden, erforderlich, da dadurch Ziele erreicht werden können, die über die Wirkung der Bestrafung natürlicher Personen hinaus gehen.[2] So soll eine Besserstellung juristischer Personen gegenüber natürlichen Personen vermieden werden, denn der juristischen Person würden zwar die Vorteile einer durch ihre Organe begangenen Straftat zufließen, sie wäre jedoch mangels Sanktionsmöglichkeiten keinen Nachteilen ausgesetzt. Dies wäre bei einer natürlichen Person hingegen anders, da ihr zwar ggf. auch die Vorteile zufließen, sie aber im Gegensatz zu einer juristischen Person von strafrechtlichen Sanktionen getroffen werden könnte. Darüber hinaus geht das BMJV davon aus, dass nur durch die Sanktionierung der Unternehmen eine angemessene Reaktion des Staates auf Straftaten möglich ist, wenn das jeweilige Unternehmen von der Tat profitiert und ggf. durch die dortige Unternehmenskultur und fehlende Compliance-Bemühungen die Tat sogar noch begünstigt hat. Diesem Gesichtspunkt trage eine ausschließliche Bestrafung der handelnden natürlichen Personen nicht ausreichend Rechnung.

Ferner geht das BMJV wohl zutreffend davon aus, dass die Androhung von Unternehmenssanktionen dazu führt, dass die Unternehmen ihre Bemühungen zur Vermeidung von Straftaten und im Bereich der Compliance vergrößern. Folglich soll das VerSanG präventiv wirken, indem Straftaten vermieden werden.

 

Rz. 23d

Die dargestellten Ziele sind umstritten und schon die vorrangige Frage, ob die Sanktionierung von Unternehmen gegen den Schuldgrundsatz verstößt, wird nicht einheitlich beantwortet. In jedem Fall ist aber festzustellen, dass die Sanktionsfähigkeit von Unternehmen im Hinblick auf die in § 30 OWiG geregelte Verbandsgeldbuße schon lange Bestandteil des deutschen Rechts ist und dass die strafrechtliche Sanktionierung von Unternehmen international weit verbreitet ist.[3]

[1] Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/23568, 45.
[2] Vgl. Fragen und Antworten zum Gesetzentwurf zur Stärkung der Integrität der Wirtschaft v. 16.6.2020, Frage 2, vgl. unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Staerkung_Integritaet_Wirtschaft.html.
[3] Vgl. z. B. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/23568, 46f.

2.1.5.3.3 Überblick über die Neuregelungen des VerSanG-E

 

Rz. 23e

Der Entwurf des neuen Verbandssanktionengesetzes erfasst gem. § 1 VerSanG-E Verbände, "deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist". Folglich sind erfasst juristische Personen des Zivil- und des öffentlichen Rechts, auch nicht rechtsfähige Vereine oder rechtsfähige Personengesellschaften, nicht hingegen Verbände mit einem gemeinnützigen Zweck. Letztere unterliegen weiterhin (nur) den Regelungen des OWiG.

Wird ein Verband vom VerSanG erfasst, so schließt der Anwendungsbereich – im Gegensatz zum OWiG – auch Verbände mit einem Sitz im Inland im Hinblick auf im Ausland begangene Verbandsdelikte ein, die nicht den deutschen Strafgesetzen unterfallen. Dieser Regelung kommt jedoch im Steuerstrafrecht lediglich geringe Bedeutung zu, da es sich bei den durch § 370 AO geschützten Steuern trotz der Erweiterung in § 370 Abs. 6 AO fast ausschließlich um solche nach Bundesrecht oder dem Recht der EU handelt.

 

Rz. 23f

Ausgangspunkt der Anwendbarkeit des VerSanG ist die Verbandstat i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 VerSanG-E, also eine Straftat, durch die Pflichten des Verbands verletzt wurden oder durch die der Verband bereichert wurde bzw. werden sollte. Diese Straftat muss ...

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