7.1 Grundlagen

7.1.1 Begriffsbestimmung

 

Rz. 135

Der Versuch der Steuerhinterziehung ist gegeben (s. § 369 AO Rz. 40), wenn über die Vorbereitung hinaus mit der Tathandlung zwar begonnen wurde (s. Rz. 141), die Straftat aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen aber unvollendet geblieben ist (s. Rz. 147).

7.1.2 Strafbarkeit

 

Rz. 136

Der Versuch des Vergehens der Steuerhinterziehung (s. Rz. 5) ist nach § 23 Abs. 1 StGB kraft der besonderen Regelung des § 370 Abs. 2 AO strafbar.

Die Strafbarkeit besteht für den "fehlgeschlagenen" Versuch, wenn die Steuerfestsetzung (s. Rz. 150) trotz der Tathandlung richtig erfolgt ist[1]. Die Strafbarkeit besteht auch für den "untauglichen" Versuch (s. § 369 AO Rz. 43), wenn der Taterfolg wegen der Untauglichkeit des Mittels nicht eingetreten ist[2].

 

Rz. 137

Für die versuchte Steuerhinterziehung kann gem. § 23 Abs. 2 StGB eine Strafmilderung gewährt werden (s. Rz. 180). In einem besonders schweren Fall gilt für den Versuch aber auch der erweiterte Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO (s. Rz. 153).

 

Rz. 138

Der Versuch der Steuerhinterziehung bleibt straffrei, wenn

  • schon im Versuchsstadium der Steuerhinterziehung eine strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO erstattet wird (s. § 371 AO Rz. 28);
  • gem. § 24 StGB ein Rücktritt vom Versuch erfolgt ist (s. § 369 AO Rz. 45), der durch Selbstanzeigemöglichkeit nicht ausgeschlossen wird[3]. Ein Rücktritt liegt bei der Beihilfe (s. Rz. 30) zur versuchten Steuerhinterziehung aber nicht allein in der bloßen weiteren Untätigkeit[4];
  • Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist (s. Rz. 272).
 

Rz. 139

Der strafbare untaugliche Versuch (s. Rz. 136) ist abzugrenzen vom straflosen Wahndelikt. Ein Wahndelikt ist der "umgekehrte Verbotsirrtum" (s. Rz. 132), wenn der Tatbeteiligte irrtümlich sein Verhalten, z. B. die Nichtzahlung der Steuer (s. Rz. 37), für strafbar hält[5]. Irrt der Tatbeteiligte über die steuerrechtliche Rechtslage, hält er z. B. irrtümlich bestimmte materiell steuerfreie Einkünfte für steuerpflichtig, "umgekehrter Tatbestandsirrtum" (s. Rz. 130), so begeht er einen untauglichen Versuch der Steuerhinterziehung, wenn er die Einkünfte nicht erklärt[6]. Gleiches gilt bei Annahme einer nicht bestehenden gesetzlichen Handlungspflicht[7].

[1] BGH v. 17.7.1991, 5 StR 225/91, HFR 1992, 567.
[2] BGH v. 26.2.1988, 3 StR 477/87, wistra 1988, 185.
[4] BGH v. 25.9.1985, 5 StR 209/85, HFR 1987, 208.
[6] BGH v. 17.10.1996, 4 StR 389/96, wistra 1997, 62; Hellmann, in HHSp, AO/FGO, § 370 AO Rz. 263 m. w. N.; a. A. OLG Düsseldorf v. 26.8.1988, 3 Ws 512/88, wistra 1989, 73; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 726.
[7] S. Rz. 131; vgl. KG v. 9.9.1981, 1 Ss 277/80-1/81, NStZ 1982, 73.

7.2 Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch

7.2.1 Beginn des Versuchs

 

Rz. 140

Der strafbare Versuch setzt zunächst voraus, dass der unbedingte Entschluss zur Tat gefasst ist (s. § 369 AO Rz. 38). Der Tatbeteiligte muss vorsätzlich die Steuerhinterziehung begehen wollen (s. Rz. 124). Allein dieser Tatentschluss, z. B. die Absicht, bestimmte Geschäftsvorfälle nicht der Besteuerung zu unterwerfen, ist strafrechtlich nicht relevant[1].

 

Rz. 141

Der strafbare Versuch beginnt erst, wenn der Tatbeteiligte über noch straflose Vorbereitungshandlungen (s. Rz. 145) hinaus nach seinen Vorstellungen von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt[2]. Das unmittelbare Ansetzen zur Tat dokumentiert sich frühestens mit dem Beginn von Ausführungshandlungen, durch die das geschützte Rechtsgut (s. Rz. 2) bereits in diesem Zeitpunkt gefährdet ist, ohne dass weitere Geschehensabläufe dazwischengeschaltet sind[3].

 

Rz. 142

Soll die Steuerhinterziehung durch aktives Tun, also dadurch begangen werden, dass über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht werden sollen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO; s. Rz. 41), so beginnt der Versuch regelmäßig erst mit der Abgabe der falschen Erklärung oder Auskunft bei der Finanzbehörde[4]. Bei einer Steuererklärung in Schriftform (s. § 150 AO Rz. 2) liegt die Abgabe i. S. v. § 370 Abs. 2 AO in der Absendung der unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung[5]. Dies gilt selbst dann, wenn sich die Unrichtigkeit der Erklärung noch nicht in dem Veranlagungsjahr, auf das sich die Erklärung bezieht, auswirkt, sondern erst in einem späteren Besteuerungszeitraum, z. B. durch einen unberechtigten Verlustvortrag nach § 10d EStG[6].

 

Rz. 143

Der Beginn des Versuchs bei der Einführung der gefälschten Belege in die Buchführung, die regelmäßig als Vorbereitungshandlung zu sehen ist (s. Rz. 145), kann dann als unmittelbares Ansetzen zur Tat (s. Rz. 141) für die Steuerhinterziehung von Ertragsteuern gesehen werden, wenn die falschen Betriebsausgabenbelege bereits in die USt-Voranmeldung eingeflossen sind und der Täter dadurch dokumentiert hat, dass er auch die folgende Ertragsteuerverkürzung will[7].

 

Rz. 144

Soll die Steuerhinterziehung durch Unterlassen, d. h. dadurch begangen werden, dass die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erheblic...

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