4.2.5.1 Allgemeines

 

Rz. 94

Eine Steuerverkürzung ergibt sich ausschließlich aus der Steuerfestsetzung (s. Rz. 85, 86). Die Festsetzung der Steuer i. S. v. § 370 AO ist die für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis[1] nach § 218 Abs. 1 AO erforderliche Konkretisierung in einem Verwaltungsakt, die für den Steueranspruch in einem Steuerbescheid nach § 155 AO erfolgt[2]. Nach § 370 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 AO ist es dabei gleichgültig, ob die Steuerfestsetzung endgültig, vorläufig[3] oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung[4] geschieht.

 

Rz. 95

Eine Steuerfestsetzung i. d. S. ist auch ein Vorauszahlungsbescheid (s. Rz. 81, 279), in dem durch Steuerbescheid die auf die Steuer zu leistenden Vorauszahlungen festgesetzt werden. Auch eine Einspruchsentscheidung kann steuerfestsetzende Wirkung haben, wenn eine Entscheidung in der Sache getroffen wird (s. § 367 AO Rz. 55).

 

Rz. 96

Steueranmeldungen sind in § 370 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 AO der Steuerfestsetzung gleichgestellt, weil sie nach § 168 S. 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehen. Diese gesetzliche Festsetzungswirkung tritt allerdings nicht ein, wenn die Finanzbehörde eine von der Steueranmeldung abweichende Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid (s. Rz. 94) vornimmt[5] bzw. einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder einer Steuervergütung zustimmt[6].

 

Rz. 97

Feststellungsbescheide, in denen abweichend von § 157 Abs. 2 AO die Besteuerungsgrundlagen nach § 179 Abs. 1 AO gesondert festgestellt werden, Steuermessbescheide, in denen gem. § 184 Abs. 1 S. 1 AO Steuermessbeträge festgesetzt werden, oder sonstige Grundlagenbescheide, also nach § 171 Abs. 10 AO andere, für die Steuerfestsetzung verbindliche Verwaltungsakte, sind keine steuerfestsetzenden Verwaltungsakte i. d. S. Sie bewirken nur mittelbar eine Steuerverkürzung aufgrund ihrer Bindungswirkung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO für den Folgebescheid, unmittelbar entsteht nur ein Steuervorteil (s. Rz. 85b, 107; zur Strafverfolgungsverjährung s. Rz. 273).

 

Rz. 98

Eine Steuerfestsetzung wird gem. § 167 Abs. 1 S. 2 AO – wie bei der Steueranmeldung (s. Rz. 96) – nicht vorgenommen, wenn aufgrund gesetzlicher Verpflichtung die Steuer durch die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu entrichten ist. Allein das Unterlassen der Verwendung bewirkt die Steuerverkürzung (s. Rz. 73).

[2] Zum Haftungsbescheid s. Erl. zu § 191 AO.
[6] BGH v. 10.8.1988, 3 StR 246/88, wistra 1988, 355; BGH v. 27.9.2002, 5 StR 97/02, wistra 2003, 20; zur Vollendung der Steuerhinterziehung s. Rz. 149, 283.

4.2.5.2 Unterbliebene Steuerfestsetzung

 

Rz. 99

Eine Steuerfestsetzung wird regelmäßig in dem Fall unterbleiben, in dem ein der Finanzbehörde unbekannter Stpfl. (s. zur Verletzung der Anzeigepflichten Rz. 60) seiner gesetzlichen Steuererklärungspflicht nach § 149 Abs. 1 S. 1 AO nicht nachkommt (s. Rz. 57, 58). Dies führt bei Fälligkeitssteuern unmittelbar zur Tatvollendung mit Ablauf der gesetzlichen oder von der Finanzbehörde gesetzten Steuererklärungsfrist. Folglich ist bei Fälligkeitssteuern kein Raum für eine Versuchsstrafbarkeit. Der nach § 370 Abs. 2 AO strafbare Versuch der Steuerhinterziehung ist bei Veranlagungssteuern hingegen mit dem Ablauf der gesetzlichen oder von der Finanzbehörde gesetzten Steuererklärungsfrist beendet (s. Rz. 144). Die Tatvollendung tritt hingegen in dem Zeitpunkt ein, in dem eine korrekt abgegebene Erklärung des Täters wohl veranlagt worden wäre. Dies ist nach der zutreffenden Rechtsprechung des BGH der Fall, wenn die Ver­anlagungsarbeiten in dem betreffenden Veranlagungsbezirk "im Großen und Ganzen" abgeschlossen sind (BGH v. 1.3.1956, 3 StR 462/55, BStBl I 1956, 441; BGH v. 7.11.2001, 5 StR 395/01, wistra 2002, 64). Es ist hingegen nicht auf den Abschluss der Veranlagungsarbeiten im zuständigen Finanzamt (so aber OLG Hamburg v. 2.6.1992, 1 Ss 119/91, wistra 1993, 274) oder auf den Abschluss im betreffenden Bundesland (so aber OLG Hamm v. 6.12.1962, 2 Ss 935/62, FR 1963, 301) abzustellen (s. Rz. 151).

 

Rz. 100

Bei Nichtabgabe der Steuererklärung (s. Rz. 57, 58) durch einen der Finanzbehörde bekannten Stpfl. wird demgegenüber die Steuerfestsetzung regelmäßig nicht unterbleiben, sondern die Finanzbehörde wird die Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO schätzen und die Steuer entsprechend festsetzen. Diese Steuerfestsetzung wird zumeist verspätet (s. Rz. 102) und, wenn die Schätzung zu niedrig erfolgt ist, unzutreffend erfolgen (s. Rz. 101).

4.2.5.3 Unzutreffende Steuerfestsetzung

 

Rz. 101

Die Steuerverkürzung ist eingetreten, wenn die Steuerfestsetzung (s. Rz. 95–97) nicht in voller Höhe erfolgt ist (s. Rz. 85).

4.2.5.4 Verspätete Steuerfestsetzung

 

Rz. 102

Die Steuer ist nicht rechtzeitig festgesetzt, wenn sie nach dem hypothetisch zu ermittelnden Ablauf ohne das pflichtwidrige Verhalten, also die verspätete Abgabe (s. Rz. 59) oder das Unterlassen der Abgabe (s. Rz. 57) der Steuererklärung, früher festgesetzt worden wäre. Es ist dabei der Zeitpunkt festzustellen, in dem die Finanzbehörde bei rechtzeitiger Abgabe einer Ste...

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